So gelingt Storytelling mit Hilfe der Digitalbiografie

Digitale Biographie und Storytelling

Bildquelle: Pexels

Alle Generationen haben digitale Erfahrungen gemacht. Diese Erfahrungen können beim Storytelling helfen.


11. November 2019 | Von Özkan Canel Altintop

Können Sie sich noch an Ihren ersten Computer erinnern? Oder vielleicht an das Einwahlgeräusch Ihres 56K-Modems? Wann haben Sie Ihre erste E-Mail geschrieben? Viele Menschen sind nicht mit dem Internet aufgewachsen, trotzdem haben alle ein einschneidendes digitales Erlebnis – dies gilt auch für Menschen über 50 Jahre.  Wir haben mit dem Experten Kai Heddergott gesprochen und gefragt, was „Digitale Biografie“ bedeutet und wie Unternehmen verschiedene Generationen zusammenbringen und ihr digitales Storytelling aufbauen können. Heddergott ist Kommunikationsberater in Münster und unterstützt Institutionen und Unternehmen in Sachen digitale Kommunikation.

Herr Heddergott, was genau bedeutet „Digitale Biografie“?

Die „Digitale Biografie“ ist ein Instrument, um die Erfahrungen von Menschen mit digitalen Lösungen entlang ihres Lebenswegs zu erfassen. Es geht darum, zunächst niedrigschwellig mit einem einfachen Fragebogen herauszufinden, in welcher Stufe der Entwicklung einzelner digitaler Anwendungsfelder Personen individuell einen ersten digitalen Kontakt hatten.

Wann begann zum Beispiel der Umgang mit Spielkonsolen, schon früh mit einem Atari VCS 2600 in den 80ern oder erst mit der Wii in den 2000ern? Und wie sah das mit dem Online-Zugang aus: Hat der oder die Befragte sich schon mit dem Akustikkoppler in Mailboxen eingewählt oder ist erst später mit einem DSL-Zugang online gegangen?

Im Kern geht es darum, digitale Erfahrungsschätze zu heben und sichtbar zu machen. Oftmals entsteht dadurch die überraschende Erkenntnis, dass frühe erste digitale Berührungspunkte aufgezeigt und Ängste in Transformationsprozesse abgebaut werden können. Durch den Vergleich und die Kombination von mehreren Digitalen Biografien kann Wissen und Kompetenzen innerhalb von Teams gefördert werden. Jeder hat heute eine Digitale Biografie, ganz gleich welchen Alters – sie ist nur unterschiedlich ausgeprägt.

 

Dgitale Biographie

Jede Generation hat eine digitale Biografie. Quelle: Ausschnitt aus der Präsentation Digitale Biographie/Kai Heddergott

Sie vergleichen Generationen miteinander (Babyboomer, x,y und z). Welchen Nutzen hat dieser Vergleich für Unternehmen?

Durch den Vergleich der unterschiedlich digital geprägten und sozialisierten Generationen an Mitarbeiter/-innen wird die Vielfalt digitaler Kenntnisstände und Kompetenzen sichtbar gemacht. Damit wird so mancher Mythos umschifft, etwa der, dass sich Menschen jenseits der 50 sich mit „dem Internet und Co.“ nicht auskennen und man eher die ganz jungen Kollegen/-innen fragen sollte, wenn es um digitale Strategien geht.

Tatsächlich weisen die Vertreter/-innen der Generation X (Jahrgang mitte 1960er bis frühe 1980er) vielfältige Veränderungserfahrungen und -kompetenzen aus, weil ihre Digitale Biografie nicht selten 25 bis 35 Jahre digitale Transformation umfasst. Wer in den 80ern mit den Computern angefangen hat, hat diese Erfahrungen in Ausbildung und erste Berufsjahre eingebracht. Kollegen der Generation Y und Z dagegen sind im digitalen Zeitalter aufgewachsen und gehen spielerischer mit neuen Anwendungsfeldern um.

Die generationenübergreifende Kombination der vielfältigen Erfahrungen kann in Transformationsprozessen genutzt werden – auch für das Storytelling, gerade wenn es darum geht, die Transformationsstory eines Unternehmens zu erzählen und die passenden Themen zu finden.

 

Digitale Biographie Einstiegserlebnis

Wann war Ihr einschneidendes Erlebnis? Quelle: Ausschnitt Präsentation Digitale Biografie/Kai Heddergott

Was war Ihr digitales Schlüsselerlebnis?

Mein digitales Schlüsselerlebnis war ein kleiner Computer mit 1 Kilobyte Speicherplatz. Es war ein ZX81, wo ich zum ersten Mal erlebt habe, dass wenn ich etwas eingebe und abspeichere, eine Programmabfolge, das macht, was ich möchte. Dass also eine Maschine mir gehorcht, mit dem was ich vorhatte oder programmiert habe. Es war noch schwarzweiß auf dem Bildschirm, aber unabhängig davon, es war dieser Moment, wo ich merkte, ich kann ein Prozess definieren und der hat dann auch einen Ablauf.

 

Sehen Sie hier das Interview mit Kai Heddergott auf dem #Cosca2019

 

Was bedeutet Storytelling für Sie?

Storytelling ist für mich die Methode, Themen und Informationen so aufzubereiten, dass sie die gelernte Nutzung und Wahrnehmung unterschiedlicher Aufbereitungs- und Darstellungsformen durch relevante Zielgruppen einer Kommunikationsstrategie folgend einsetzt. Das Ziel ist es dabei, über die reine Vermittlung von Fakten hinaus, Themen „schmackhaft“ zu machen und in gewisser Weise Themenstränge auch crossmedial zu orchestrieren und zu vielleicht ein Stück weit zu inszenieren.

Gerade wenn es darum geht, neue Produkte aus der eigenen Unternehmenshistorie heraus zu erläutern und abzuleiten und damit die eigene Innovationsfähigkeit darzustellen, eignet sich Storytelling für die Vermittlung.

IBM hat beispielsweise höchst unterschiedliche Phasen durchlaufen und sich vom Hersteller von Registrierkassen über den Produzenten von Großrechnern und später den ersten Personal Computern hin zum Anbieter von Software-Services, Consulting-Unternehmen und KI-Anbieter gewandelt. Allein diese Veränderungen sind schon eine Story – und können gut aufbereitet das Interesse an den aktuellen Produkten und Dienstleistungen wecken.

Was sind die Grundzutaten einer Story?

Eine Story sollte auf jeden Fall nicht das erzählen, was ich erzählen möchte und was mir selber dient. Eine Story sollte immer von den Zielgruppen und Interessensgruppen ausgehen. Wo gibt es durch die Story einen Mehrwert, für die, an die ich mich eigentlich richte. Das ist wie die Suchmaschinenoptimierung: Nicht mein Keyword ist wichtig, sondern das der Zielgruppen.

Was sind die Storytelling-Trends der Zukunft?

Bei KI sind wir mittlerweile im Storytelling im Nachrichtenumfeld angekommen, dass strukturierte Geschichten aufgrund von Datenbasis von Maschinen schon hervorragend gemacht werden können. Spannend wird es, wenn wir immersive Storytelling-Momente reinbringen, also 360 Grad oder VR. Wo wir uns also mit der Story noch anders auseinandersetzen. Das wir dein sehr spannendes Thema werden.

Herr Heddergott, vielen Dank für das Interview.

Kai Heddergott war Teilnehmer und Teilgeber beim Content Strategy Camp (#cosca19) in Dieburg. Seine komplette Präsentation zum Thema finden Sie im öffentlichen Laufwerk hier.

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