Die Zukunft der Messe – Anregungen für Messebetreibende und Aussteller/-innen

Zukunft der Messen - Menschen stehen vor einer digitale Bühne

Bildquelle: Unsplash

Geschäftsmodelle von Messen befinden sich im Umbruch. Digitale Technologien spielen eine immer stärker werdende Rolle.


21. Oktober 2020 | Von Antonia Wagner

Internationale Handelsbeziehungen und Kooperationen von Unternehmen stehen nach wie vor im Fokus der deutschen Wirtschaft. Auch kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der Hauptstadtregion eröffnen Globalisierung und Digitalisierung große Potenziale. Das eigene Geschäftsmodell kann erweitert, innovative Produkte und Dienstleistungen entwickelt und neue Märkte erschlossen werden. Messen sind hierfür ein zentraler Baustein.

Vor allem klassische Leit- und Fachmessen haben in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Auch KMU haben in der Vergangenheit zunehmend in physische Messeauftritte investiert. Nun ist das klassische „Messegeschäft“ jedoch stark von der Pandemie betroffen und bisherige Geschäftsmodelle und Events werden zum Teil in Frage gestellt. Glücklicherweise fördern digitale Technologien Innovationen und sorgen für weitreichende Umbrüche in der Wirtschaft. Dieser Prozess hat bereits vor Corona begonnen. Neue Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten entstehen, Vertrieb und Logistik werden effizienter und auch in der Kommunikation mit Kunden/-innen und Mitarbeitern/-innen tun sich durch digitale Lösungen neue Möglichkeiten auf, das gilt auch für Messen und Events.

Wie sieht die Zukunft der Messe vor dem Hintergrund zunehmender Digitalisierung aus?

Diese und weitere Fragen waren auch Thema im „Dialog zur Neupositionierung der Leitmessen“ des Brandenburger Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Energie. Dort haben sich folgende Bedarfe und Anknüpfungspunkte für Messebetreibende und Messeaussteller/-innen gezeigt:

Anregungen für Messebetreiber

  • Business Innovation – Die Messe muss sich stetig neu erfinden

„Digitale Veränderungen im Messegeschäft sind nichts Neues und wurden nicht erst durch die Corona-Pandemie ausgelöst. Der Wandel besteht im Bereich der Messe schon seit einigen Jahren und wurde durch die Corona-Pandemie nur beschleunigt,“, so Hendrik Hochheim, Leiter des Verbandes der Deutschen Messewirtschaft. Das bedeutet im klassischen Messegeschäft vor allem, dass bestehende Geschäftsmodelle und etablierte Konzepte immer wieder kritisch hinterfragt und den Kundenbedürfnissen angepasst werden müssen. Der Fokus dabei liegt auf der Fähigkeit, Innovationen zu schaffen und schnell auf aktuelle Veränderungen reagieren zu können.

Ein Beispiel dafür sind hybride Messen, auf denen nur ein Teil der Besucher/-innen physisch vor Ort sind und der Rest der Teilnehmer/-innen digital dazu kommt. Vorreiter in diesem Bereich war unter anderem die Internationale Funkausstellung (IFA), die in diesem Jahr erstmalig als hybride Messe veranstaltet wurde, wie Jens Heithecker, Executive Vice President, Messe Berlin GmbH, berichtete.

  • Digitale Tools als Ergänzung zu physischen Messen

Digitale Technologien bilden zwar keinen vollständigen Ersatz zu physischen Messeauftritten, jedoch breit gefächerte Möglichkeiten, Produkte und Dienstleistungen digital erlebbar zu machen, zum Beispiel in Form von Virtual- und Augmented-Reality-Anwendungen. Diese ersetzen jedoch nicht den persönlichen Kontakt und die multisensitive Wahrnehmung von Erlebnissen auf physischen Messen.

Digitale Tools auf Messen

Hendrik Hochheim berichtete, dass sich wesentliche Vorteile des Einsatzes digitaler Tools auf Messen bei der Steigerung von Reichweite sowie der Erhöhung der eigenen Relevanz in klassischen Medien zeigen. Unternehmen haben so die Möglichkeit, durch eine stärkere öffentlichkeitswirksame Resonanz ein breiteres Publikum zu adressieren und neue Vertriebskanäle zu finden.

Till Weishaupt und Matthias Reiser von ad modum verdeutlichten, dass sich  analoge und  virtuelle Wahrnehmung grundsätzlich unterscheiden und daher auch speziell angesprochen werden müssen. Der Anspruch lieg daher auch darin, Messekonzepte je nach Medium auf die Zielgruppe anzupassen.

  • Tradition trifft auf Innovation – Produkt und Zielgruppe stehen im Vordergrund

Viele Branchen leben von traditionellen Produkten und Geschäftsmodellen. Es ist essenziell, die Anforderungen der Kunden/-innen zu berücksichtigen. Im Handwerk und dem produzierenden Gewerbe spielen beispielsweise nach wie vor klassische Begegnungen, persönlicher Kontakt und das Erproben von Produkten vor Ort eine maßgebliche Rolle, auch im Bereich der Messe.

Daher ist es wichtig, die Bedürfnisse der Kunden/-innen und die der Messeaussteller/-innen zu kennen, zu analysieren und diese über spezifische Produkte und Angebote zu bedienen. Je nach Bedürfnissen der Zielgruppen können dann zielgenaue digitale Technologien eingesetzt werden., Ein methodischer Ansatz dafür könnte die Customer Journey sein, die in den Fokus der Kundenanalyse gesetzt wird.

Dr. Frauke Adams, Geschäftsführerin DiagnostikNet|BB e. V. und ihr Kollege Hannes Thonagel verdeutlichten dies an den Möglichkeiten, den Mitgliedsunternehmen ihres medizintechnischen Netzwerks durch die Übersetzung traditioneller Messeaktivitäten in den virtuellen Raum auch weiterhin Messebegegnungen und einschlägige Vertriebseffekte zu ermöglichen. Wichtig dabei sei ein niedrigschwelliges Angebot, keine Überforderung durch Technik und die Wirkungsnähe zwischen konventionellem und digitalem Messestand.

Anregungen für Messeaussteller/-innen:

  • Coaching-Ansatz mit Orientierungsfunktion zur fachlichen Unterstützung

Um die fachliche Begleitung in Zukunft noch stärker zu vertiefen, wird ein Coaching-Programm speziell für kleine und mittlere Unternehmen entwickelt. Im Rahmen dessen soll das Spannungsfeld zwischen unternehmerischer Eigenverantwortlichkeit und einem großen Orientierungs- und Unterstützungsbedarf im Bereich des Messegeschäfts ausbalanciert werden.

Messeauftritte müssen strategisch geplant werden

Das Messegeschäft für  Aussteller/-innen muss sowohl unter systemisch-strategischen als auch unter unternehmensindividuellen Aspekten betrachtet werden. Dabei sollte seitens der beratenden und/oder unterstützenden Institutionen deutlich gemacht werden, dass die Digitalisierung von Messeauftritten kein singulärer oder temporär wirksamer Effekt des operativen Tagesgeschäfts ist, sondern strategisch geplant werden muss. Die angebotenen Unterstützungsleistungen sollen künftig noch stärker auf die individuellen Bedarfe einzelner Branchen, Reifegrade und Unternehmen zugeschnitten werden, damit schneller konkrete Handlungsoptionen und -empfehlungen generiert werden können.

Damit Messeaussteller künftig auch fachlich noch effektiver unterstützt werden, soll im Rahmen des geplanten Coaching-Programms beispielsweise folgende Bereiche vertieft abgedeckt werden:

  • Finanzierung digitaler Messeaktivitäten
  • Kompetenzentwicklung und Befähigung im Bereich innovativer Messeformate
  • Fachliche Begleitung bei der Konzeption und Umsetzung innovativer Messeformate
  • Achtsamkeits-Training

Der Coaching-Ansatz dient insbesondere der Begleitung, aber auch Befähigung der Messeaussteller zur Umsetzung eigener Messekonzepte,

  • Moderierter Erfahrungsaustausch für Anbieter/-innen und Aussteller/-innen

Der Austausch zwischen regionalen Messeanbietern bot eine wertvolle Grundlage für die Entwicklung zukünftiger Messekonzepte. Um Anbietern und Ausstellern eine Plattform zu bieten, könnte eine ein strukturierter Erfahrungsaustausch initiiert und verstetigt werden, der von Multiplikatoren begleitet und moderiert werden könnte.

Ein Beispiel dafür, wie dies auf regionaler Ebene praktisch aussehen kann, zeigte Mike Blechschmidt vom Arbeitskreis Regionaler Wachstumskern Wittstock/Dosse. Die traditionelle Ausbildungsmesse „Jobstart“ wurde im September 2020 komplett virtuell veranstaltet. Aussteller/- und Besucher/-innen wurden über vier Wochen in über 50 moderierten Workshops miteinander in den Dialog gebracht.

Der regelmäßige Austausch sollte darauf abzielen, vorhandenes Wissen zu bündeln und zu nutzen, aber auch konkrete Konzepte zur Umsetzung tragfähiger Lösungsansätze für das Messegeschäft zu entwickeln.

  • Community-Bildung als Schnittstelle zwischen analogen und digitalen Messeaktivitäten

Der Erfolg von Messeaktivitäten hängt hochgradig von „Randbegegnungen“ des Messestands und von der informellen Netzwerkbildung rund um das Kerngeschehen ab.

Der Raum für solche Begegnungssituationen muss verfügbar sein, damit das traditionelle Messegeschäft und damit das zentrale Geschäftsmodell „Messe“ nicht obsolet wird. Community-Bildung ist essenziell für den Messeerfolg. Hybride Formen zwischen virtuellem Messestand und begleitenden persönlichen Treffen, zeitlicher Vorlauf und eine strukturierte Nachbereitung der virtuellen Messepräsenz inklusive persönlichen Treffen unter Corona-adäquaten Regelwerken könnten bereits heute installiert werden.,. Dies gilt im regionalen Umfeld (siehe Jobstart) ebenso wie im internationalen Bereich (siehe Hannover Messe).

SCHLAGWORTE

Passende Themen

Isahr-Team: Marcel Peick, Louis Arnold, Torsten Arnold, Stephanie Schütze

Online-Marketing

Neue Ansätze finden: Ist mein Geschäftsmodell noch aktuell?

Ein Unternehmen aus Cottbus erklärt, wie es sich dem Thema Digitalisierung stellt und Ansätze zur Weiterentwicklung findet. Weiterlesen

Erweiterte Realität in der Wartungspraxis. (Bild: G. Kraft Maschinenbau GmbH)

Digitalisierung braucht Mut

Wie "Augmented Reality" Zeit, Ressourcen und Frust ersparen kann

Wie wird zukünftig die Arbeit mit Maschinen aussehen und wie können die vielfältigen digitalen Veränderungen Wartungsprozesse gestalten? Weiterlesen

Via App zum passenden Schmiersystem. © perma-tec GmbH & Co. KG / FLYACTS GmbH

Digitalisierung braucht Mut

Läuft wie geschmiert - Per App Instandhaltung erleichtern

Für Techniker können heute Instandhaltungsarbeiten so viel einfacher sein. Alles was sie brauchen ist ein Smartphone oder ein Tablet und eine App. Weiterlesen