Veränderungen sensibel angehen

Digitale Veränderung

Bildquelle: Pixabay

Digitale Veränderungen mutig angehen.


22. Februar 2019 | Von Thomas Thiessen

Ideen und Innovationen begegnen uns im Alltag an jeder Ecke: wir organisieren online unseren Alltag, kommunizieren digital mit Kunden/-innen und Kollegen/-innen, vergeben per Smartphone Sterne an Restaurants und Hotels, buchen den passenden Handwerksbetrieb per Internet. Diese Beispiele sind auch in Unternehmen und Organisationen angekommen. Wir beschäftigen uns damit, wie wir die Prozesse im eigenen Unternehmen durch Technologie verbessern, auf (digitale) Kundenbedürfnisse reagieren und jenes im Betrieb vorhandene Wissen zur Zukunftssicherung verwerten können.

Zum digitalen Wandel bereit sein

Aber es gibt einen Haken an der Sache: Wir befinden uns derzeit in einer konjunkturell überaus komfortablen Lage: Bei vielen Mittelständlern sind die Auf­tragsbücher voll. Aus einem klassischen Führungsver­ständnis tendieren viele Unternehmer zur Strategie „Never Change A Winning Horse“, also voller Konzentration auf das bestehende Erfolgskonzept und Kerngeschäft. Der wirt­schaftliche Erfolg kann allerdings mitunter dazu führen, dass Veränderungen im eigenen Betrieb eher als Randthema behandelt werden, obwohl digitale Innovationen schön längst viele etablierte Märkte und Wertschöpfungsketten verändern.

Dabei ist der Begriff Change – also der permanente Wandel– in den meisten Unternehmen durchaus positiv besetzt. Change Management (Deutsch: Veränderungsmanagement) gilt als Schlüsselbegriff für zeitgemäße Organisationsentwicklung, beinhaltet ein modernes Selbstverständnis und dient als Kernbegriff für eine zeitgemäße Arbeits- und Organisationskultur. Veränderungsprozesse verfügen damit über einen natürlichen Vertrauensbonus – man hofft auf ihre befreiende Wirkung.

Begeistern Sie Ihre Mitarbeiter/-innen

Aber: Jede Organisation richtet sich – ebenso naturgemäß – auf einem mehr oder weniger komfortablen Status Quo ein und Führungskräfte und Mitarbeiter/-innen verteidigen reflexhaft Gewohntes. Veränderungen werden daher auch als Störung empfunden und bringen nachhaltige Verunsicherung mit sich. Insbesondere die (anonymen) Auswirkungen digitaler Technologien sorgen in vielen Unternehmen für
erhebliche Unruhe. Klagen über mögliche gesundheitliche Gefährdungen oder eine zunehmende Datenunsicherheit stehen stellvertretend für grundlegendere Ängste wie die Furcht, den Anschluss an moderne Technologien zu. Das ist nichts Ungewöhnliches. Das ist menschlich und ganz normal. Die Psychologie sagt, dass Menschen auf überfordernde Situationen mit Schutzmaßnahmen reagieren, die ihnen helfen, kritische Situationen zu meistern, ohne dass sie von ihnen selbst wahrgenommen werden. Deshalb gehören kritische Einwände und Widerstände unbedingt dazu.

Umso entscheidender ist es, als Führungspersönlichkeit eine motivierende und dem digitalen Wandel zugewandte Haltung aufzubauen und diese Haltung auch nach außen zu tragen. Genau jetzt sollten die möglichen Chancen ausgelotet werden. Digitalisierung ist eine zentrale unternehmerische Herausforderung. Raus aus der Komfortzone ist die Devise! Es geht darum, proaktiv zu handeln, eigene digi­tale Visionen in neue Unternehmensstrategien integrieren und bestehende Geschäftsmodelle kritisch zu hinterfragen und sich an neuen Rahmenbedingungen auszurichten. Rein betriebswirtschaftliche Kalkulationen genügen dazu nicht. Auch keine rein technologische Betrachtung. Es braucht vielmehr eine Unternehmenskultur, die offen für Ideen ist und Gestaltungsspielräume schafft. Es braucht Mut und Gelassenheit zugleich, um die eigenen Innovationspotenziale zu entdecken und zur Entfaltung zu bringen.

Veränderungen sensibel angehen

Eine der Methoden ist beispielsweise, digitale Veränderungen im Betrieb nicht an abstrakten Maßnahmenkatalogen oder effektheischenden Erfolgsrezepten auszurichten. Führungskräfte sollten immer von der eigenen, gelebten Unternehmenskultur ausgehen. Gerade die „große Lösung“ Digitalisierung erfordert Veränderung mit Augenmaß, Schritt für Schritt zunächst die Fragen zu beantworten: Welche Kernprozesse müssen im ersten Schritt unbedingt angegangen werden und was kann warten? Wer und was stehen für diese notwendigen Veränderungen zur Verfügung? Was soll zukünftig erreicht werden? Was soll Bestand haben, was muss sich ändern? Wo und wie können ungenutzte Ressourcen erschlossen werden? Was kann investiert werden? Wo drohen Überlastungen? Nicht zu viel auf einmal wollen! Nur auf Basis einer realistischen Einschätzung der individuellen Ausgangslage können tragfähige Zukunftsvisionen entwickelt und die Möglichkeiten der Digitalisierung effektiv ausgeschöpft werden. Dazu wird frühzeitig ein auf Zeiten und Ressourcen ausgelegtes Konzept benötigt, das auch Rückschläge und mögliche Ziel- und Anspruchskorrekturen berücksichtigt.

Zu Mut und Gelassenheit in der Digitalisierung gehört auch das strategische Handeln, das auf einem stufenweise organisierten Managementprozess basiert, der Veränderung nach rationalen Leitlinien ordnet. Um von den Anforderungen und Möglichkeiten der Digitalisierung nicht überrollt zu werden, muss der beabsichtigte Transformationsprozess als klare Führungsaufgabe definiert und zugeordnet werden. Bereits im Vorfeld sollten Entscheidungen zum Zeitpunkt der Initiierung, zum Umfang der geplanten Change-Prozesse, zur Besetzung eines Planungsteams, zur Integration von professioneller „Change-Agents“ sowie zum Aufbau geeigneter Kommunikationskanäle getroffen werden.

An einem Strang ziehen

Entscheidende Voraussetzung für die Umsetzung erfolgreich geführter Change Prozesse in der „resilienten Organisation“ ist die Berücksichtigung des Faktors Mensch und die Mitnahme aller betroffenen MitarbeiterInnen – über alle hierarchischen Ebenen hinweg. Das bedeutet unter Umständen auch, das eigene Selbstverständnis der Führung zu überdenken. Digitale Transformation bedeutet immer auch eine kritische Überprüfung gewohnter Managementfunktionen: Was bedeutet Führung im digitalen Wandel? Welche Aufgaben können Menschen in den Chefetagen übernehmen, wo benötigen sie Unterstützung? Welche (neuen) Kompetenzen müssen aufgebaut und in bestehende Strukturen überführt werden? Wie können Mitarbeiter/-innen zu eigenverantwortlicher Selbststeuerung motiviert werden? Wie kann ich die eigenen Visionen gegenüber dem Kollegium, Mitarbeitern/-innen, der Kundschaft und Lieferanten verständlich kommunizieren? Nicht jeder Beschäftigte muss sich mit allen Aspekten des digitalen Wandels beschäftigen, aber alle sollten sich mit den Zielen identifizieren können, denn ohne deren Bereitschaft gelingt der digitale Wandel nicht.

Gelassen und mutig in die Digitalisierung

Mut und Gelassenheit bedeutet dabei auch, nicht von allen nur Begeisterung zu erwarten. Die Reaktionen auf bevorstehende Veränderungen können im Einzelfall sehr unterschiedlich ausfallen – das psychologische Profil von Veränderungsprozessen folgt einem stets vergleichbaren Phasenmodell, das der schwedische Sozialpsychologe Claes Janssen mit den „Vier Räume von Veränderungen eindrücklich beschreibt. Es ist unter dem Namen „House of Change“ bekannt geworden und stellt psychologische Prozesse bei der Wiedergewinnung eines in die Krise geratenen (komfortablen) Ausgangszustandes dar. Das Verlassen der (gewohnten) Komfortzone führt zunächst zum Leugnen der Notwendigkeit geforderter Veränderungen, gefolgt von Konfusion über das Ungewohnte und schließlich zu einer positiven Neuorientierung. Jeder Einwand verdient es, ernst genommen zu werden. Gegenargumente sollten sorgfältig geprüft und Diskussionen und mögliche Kurskorrekturen bewusst eingeplant werden. Ein konstruktiver Umgang mit Kritik verringert mögliche Widerstände und schafft die notwendige Akzeptanz für Veränderung. Wichtig ist, die etwas herablassen als „Bedenkenträger“ titulierten kritischen Stimmen nicht als Sündenböcke des Systems zu diskreditieren, sondern auftretende Irritationen als psychologische Chance zu betrachten.

Das alles ist leicht gesagt. Führenden Persönlichkeiten in Unternehmen fällt es aus verständlichen und nachvollziehbaren Gründen oft schwer, Zustände zu akzeptieren, in denen Planung und Kontrolle zurücktreten. Veränderungsmanagement besteht aber gerade darin, Irritation als Chance für Neuorientierung zu nutzen. Funktional gesehen gehen die Ablösung von Gewohntem und das Vordringen zum Neuen überhaupt nicht ohne vorübergehenden Verlust der Orientierung voran. Es bedarf ausdrücklich der vorbereiteten (und konstruktiven!) Öffnung von Freiräumen und Spielfeldern für Neuorientierung. Mit liebgewordenen Traditionen brechen, mit Kreativität neue Wege erkunden, das Umdenken bewusst einüben. Transformation ist kein Umschalten von alten in neue Gesetzmäßigkeiten, sondern ein schrittweiser Entwicklungsprozess, in dem Brainstormings, kreatives Denken und Umwertungen sukzessive eingeübt werden müssen. Je mehr Wandelsituationen erprobt und zugelassen werden, desto stärker kann sich Transformation in der erarbeiteten Neuordnung verankern.

Wenn uns solche und weitere Mechanismen im menschlichen Verhalten bewusster werden, dann können wir auch mutig Neuland betreten!  Und digitaler Wandel ist machbar, wenn sich auch die verantwortlichen Führungskräfte Unterstützung sichern. Dabei geht es nicht um vereinzelte Trainings oder Expertenratschläge. Auch beim Coachen können Denkmuster überwunden werden: Coaching ist weder Stressintervention für Manager am Rande des Zusammenbruchs noch die Vorstufe zur Couch des Psychotherapeuten. Gezieltes Coaching zeugt von Sensibilität und Verantwortung sich selbst und anderen gegenüber. Effektives Persönlichkeitscoaching schafft die Basis, um vernetztes Denken und Handeln in digitalen Veränderungsprozessen erfolgreich zu meistern und gelassen und mutig in die Digitalisierung zu gehen.

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