Zertifizierung von eLearning-Angeboten mit Smart Contracts

Das Gebäude der CAD Schroer GmbH in Moers

Bildquelle: CAD Schroer GmbH

Das Gebäude der CAD Schroer GmbH in Moers.


20. November 2020 | Von Dominic Heutelbeck, Holger Schneider

Mit Unterstützung des Kompetenzzentrums

Die CAD Schroer GmbH entwickelt Engineering-Lösungen und erschließt Innovationspotenziale durch die Analyse von Smart Contracts auf deren Marktpotenzial. Durch den Einsatz der Blockchain-Technologie überprüfen diese digitalen Verträge die Integrität und Authentizität von Prozessen ohne Mittelspersonen. Am Beispiel der Zertifizierung der Lehrinhalte und erfolgreichen Teilnahme von Schulungsangeboten des Unternehmens werden Medienbrüche eliminiert, Prozesse optimiert, neue Möglichkeiten für die Digitalisierung von Prozessen erschlossen und Vertrauen geschaffen.

Fotovon Sergej Schachow, Business Development Manager, CAD SchroerGmbH
„Wir finden das Themenfeld „Smart Contracts / Blockchain“ sehr interessant und sind gespannt, welche Potenziale sich für uns erschließen lassen.“ Sergej Schachow, Business Development Manager, CAD Schroer GmbH

ÜBERSICHT DES PROJEKTSTATUS

  • Ausgangslage
  • Herausforderung
  • Ideen & Bedenken
  • Hilfe durch das Kompetenzzentrum
  • Lösungen
  • Ergebnis

AUSGANGSLAGE

Sergej Schachow ist Business Development Manager der CAD Schroer GmbH. Aufgrund eines gemeinsamen Forschungsprojekts hatte er bereits Kontakt zu Prof. Dr. Dominic Heutelbeck, Geschäftsführender Vorstand des FTK e. V., Dortmund. Somit war der Weg für die CAD Schroer GmbH zum Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kommunikation kurz. Sergej Schachow wusste um die Unterstützungsmöglichkeiten des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Kommunikation hinsichtlich Digitalisierungsvorhaben.

In gemeinsamen Gesprächen zu Innovationsfeldern und Potenzialen über das Unternehmen wurde schnell das Thema der Blockchain und Smart-Contract-Technologien identifiziert. Um praktische Erfahrungen mit den Technologien zu sammeln, wurde für die Umsetzung eines Pilotprojekts das Geschäftsfeld der Weiterbildung gewählt. Da bereits gemeinsam an Themen im Umfeld des eLearnings gearbeitet wurde, bot sich dieses Vorgehen an.

Mit Unterstützung des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Kommunikation wurde für das Unternehmen inzwischen ein erstes Pilotprojekt realisiert, auf dessen Grundlage die Identifikation und Entwicklung von weiteren Produktinnovationen über Smart Contracts vorangetrieben wird. Dieses Szenario ist auch auf andere Geschäftsbereiche des Unternehmens skalierbar, wie zum Beispiel auf den Bereich „Internet der Dinge“.

HERAUSFORDERUNGEN

Ausgangspunkt des Umsetzungsprojekts ist der ablaufende Standardprozess für die Akkreditierung von eLearning-Schulungen und das Ausstellen von Bildungszertifikaten für Personen, die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen erfolgreich absolviert haben, siehe Schaubild:

Schaubild zum Thema eLearning
Schaubild 1

Der Bildungsdienstleister wird durch eine dritte Partei berechtigt, aufgrund eines qualitätsgesicherten Lehrangebotes Schulungen durchzuführen und den Teilnehmenden Zertifikate auszustellen. Diese Zertifikate werden in der Regel in Papierform ausgehändigt und mit Unterschriften und Stempeln versehen, um die Authentizität des Dokumentes sicherzustellen. Gemeinsam wurden in diesem Szenario folgende Herausforderungen identifiziert:

Der Medienbruch zwischen dem digitalisierten eLearning-Angebot zum Zertifikat auf Papier bringt zusätzlich Prozesse, Kosten und Laufzeiten für Bildungsdienstleister mit sich. Im einfachsten Fall werden die Zertifikate an eine verantwortliche Person des Unternehmens zur Ablage ausgehändigt. Zur Überprüfung der Integrität und Authentizität der Zertifikate muss in bestimmten Fällen, gerade bei unternehmensübergreifenden Prozessen, aber eine Beglaubigungsinstanz eingeschaltet werden, zum Beispiel ein Amt oder ein Notariat.  Diese Herausforderung besteht bei den konkreten Lehrangeboten der CAD Schroer GmbH häufig nicht, führt aber, wenn sie auftritt, zu weiteren Laufzeiten und Kosten für auszubildende Personen und deren Arbeitgeber.

Wenn ein Unternehmen darauf angewiesen ist, dass Angestellte rechtssicher einen Bildungsnachweis besitzen, vergehen somit häufig einige Tage. Beim Arbeitgeber ist dann die manuelle Verwaltung und Anpassung von Personalunterlagen und Zugriffsberechtigungen mit einem umständlichen bürokratischen Aufwand verbunden, vor allem, wenn die Schulungsmaßnahmen wiederholt und für viele Mitarbeiter/-innen durchgeführt werden.

IDEEN & BEDENKEN

Für die Realisierung und Erprobung einer Lösung auf Basis von Smart Contracts galt es, folgende Kriterien zu beachten:

(a) Bei den Zertifikaten handelt es sich um Dokumente, die von unabhängigen Parteien genutzt werden
(b) Die Authentizität und Integrität der Dokumente und Prozesse muss regelmäßig geprüft werden, in der Regel durch eine dritte Instanz   

Ziel war es, das herkömmliche Zertifizierungsverfahren erheblich zu beschleunigen und einfacher zu machen. Wichtig dabei: die Aufwände für die Realisierung einer derartigen Lösung besser abschätzen zu können und zu identifizieren, wie sich die Lösung in Unternehmensprozesse integrieren lässt.

Bedenken hinsichtlich der Nutzung von Smart Contracts bzw. der Blockchain gab es insbesondere, weil das Verfahren bislang noch wenig erprobt ist und die bisherige Vorgehensweise auch Vorteile hat: Die Prozesse sind etabliert, bekannt, anerkannt und haben eine lange Haltbarkeit. Unabhängig von Online-Diensten, sind keine zusätzlichen Investitionen notwendig.

HILFE DURCH DAS KOMPETENZZENTRUM

Professor Dr. Heutelbeck begleitet das Umsetzungsprojekt und steht kontinuierlich als Ansprechpartner für die Realisierung des Piloten zur Verfügung. In den durchgeführten Gesprächen konnten die Frage- und Problemstellungen von CAD Schroer GmbH genau erfasst und im Detail diskutiert werden. Der Lösungsweg in Richtung Smart Contracts konnte so bereits gemeinsam angegangen werden.

LÖSUNGEN

Als Lösung wurden „Smart Contracts initiiert und genutzt mit dem Ziel, über eine Smart-Contract-Plattform als „digitaler Notar“ den Bildungsdienstleister, die Akkreditierungsstelle, zum Beispiel einen Maschinenhersteller sowie die an den eLearning-Schulungen teilnehmenden Personen digital miteinander zu verbinden. Beim Bestehen eines Kurses erhalten Absolventen/-innen nun unmittelbar im Anschluss daran – in Echtzeit – ein elektronisches Zertifikat. Das ermöglicht eine sofortige Anwendung auf das Zertifizierungs- und (Zugriffs-)Berechtigungsmanagement bei der Kundschaft des Bildungsdienstleisters. Wie das Verfahren abläuft, zeigt Schaubild 2:

Schaubild 2 zum Thema eLearning
Schaubild 2

Die technische Umsetzung des Piloten wurde vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kommunikation durch den Partner FTK e. V. für CAD Schroer GmbH realisiert. Dazu wurde ein Smart Contract für die Ethereum- Plattform entwickelt. Über diesen digitalen Vertrag wird der Zertifizierungsprozess abgebildet. Bei CAD Schroer kommt für eLearning-Angebote unter anderem das Learning Management System (LMS) Moodle zum Einsatz. Für dieses LMS wurde ein Plug-in realisiert, das beim erfolgreichen Abschluss eines Bildungsangebotes automatisch zwei Dokumente erzeugt: Zum einen generiert es automatisch ein PDF- Dokument als Zertifikat zum sofortigen Herunterladen, zum anderen wird Absolventen/-innen innerhalb des Smart Contracts ein digitales Zertifikat ausgestellt.

Um die Integration in die Prozesse des Arbeitgebers und der Absolventen/-innen zu demonstrieren, wurde eine Demo-Anwendung erstellt, welche IoT-Daten und das betriebliche Berechtigungsmanagement einer Industrieanwendung, im Beispiel zur Steuerung und Überwachung von Anlagen, mit dem Smart Contract verbindet.  Transaktionen finden dort über die Ethereum Blockchain statt. Für den Piloten wurde hierfür eine private Blockchain aufgesetzt. Absolventen/-innen können nun wenige Sekunden, nachdem die Zertifizierung erfolgt ist, mit einer gesichert nachgewiesenen Qualifikation entsprechende Anlagen bedienen.

Fazit: Was beim analogen Verfahren Nachteile waren, sind nun Vorteile:

  • Die Akkreditierung des Bildungsangebotes ist automatisiert möglich
  • Medienbrüche wurden eliminiert
  • Ein Intermediär zur Sicherstellung der Authentizität und Integrität von Dokumenten ist nicht mehr notwendig
  • Die Laufzeiten vom Abschluss der Weiterbildung bis zur Nutzung einer Anlage mit nachgewiesener Qualifikation für die Anlagennutzung liegen im Bereich von Sekunden
  • Die Informationen über die Qualifikation sind gemeinsam mit anderen Daten in Quasi-Echtzeit in Unternehmensprozessen nutzbar
  • Diese Form der Zertifizierung kann für den Bildungsdienstleister als innovatives Alleinstellungsmerkmal genutzt werden
  • Das papierbasierte Zertifikat ist weiterhin begleitend möglich und die Vorteile des analogen Prozesses können weiter genutzt werden
  • Durch die Realisierung als Plug-in in bestehende Lernumgebungen ist solch eine Lösung durch den Bildungsanbieter einfach in Betrieb zu nehmen

Doch ganz frei von Nachteilen ist die Lösung nicht: Der Einsatz durch den Bildungsanbieter ist mit überschaubarem Aufwand machbar. Dennoch müssen Unternehmen, die derartige Bildungszertifikate in ihre Prozesse integrieren wollen, in der Regel einen höheren digitalen Reifegrad besitzen und mit den Konzepten und Möglichkeiten von Smart Contracts vertraut sein.

Für bestimmte Systeme bei Arbeitgebern lassen sich ähnlich standardisierte Erweiterungen wie das Moodle-Plug-In realisieren, um die Akzeptanz zu erhöhen, zum Beispiel für das Personalwesen. Die tiefere Integration in die Prozesse hingegen wird von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich sein und ist von der Gesamtlage abhängig.

Ergebnis

Fotovon Sergej Schachow, Business Development Manager, CAD SchroerGmbH
„Wir freuen, dass uns Herr Prof. Dr. Heutelbeck so rasch bei der Analyse der Idee einer Smart-Contract-Lösung für Zertifizierungen unterstützt hat. Nun haben wir die Möglichkeit, zu schauen, wie die Lösung bei uns oder unseren Kunden umgesetzt werden kann.“ Sergej Schachow

Das Umsetzungsprojekt ist mit der Fertigstellung des Piloten und eines Demonstrators sowie einer ersten gemeinsamen Evaluation mit CAD Schroer zu 80% abgeschlossen. Als wesentliche Ergebnisse können folgende Punkte genannt werden:

Die Lösung für das als Smart-Contract-Piloten ausgewählte Szenario konnte schnell und mit überschaubarem Aufwand realisiert werden. Dies zeigt, dass Smart-Contract-Plattformen eine alltagstaugliche Reife erlangt haben.

CAD Schroer GmbH hat zudem wichtige Erkenntnisse für den Einsatz der Technologien erhalten. Diese sollen zum Abschluss des Umsetzungsprojektes vertieft werden. Dazu werden gemeinsame Workshops stattfinden, in denen weitere Abteilungen des Unternehmens hinzugezogen werden, um aus dem Gelernten heraus weitere Szenarien, zum Beispiel im „Internet der Dinge“, für konkrete Innovationen und weitere Aktivitäten zu erarbeiten.

Das Kompetenzzentrum hat die Lösung übertragbar aufgesetzt, sodass sie auch für Aus- und Weiterbildungsformate anderer Unternehmen und Institutionen denkbar wäre. Die Anwendung ist skalierbar, auch wenn ein Notariat oder Amt als Intermediär bislang fungiert hat, beispielhafte Fälle hierfür: Flugsicherheit, Gefahrenstoffe, Gesundheit, Jugendsicherheit, Militär, Polizei. Ein Notariat oder Amt kann häufig zwar die Integrität, nicht aber unbedingt die Authentizität gewährleisten. Die Smart-Contract-Lösung fungiert in diesem Fall als verteilter digitaler Notar.

Im Kompetenzzentrum steht in Dortmund am FTK e. V. ein Demonstrator zur Anschauung bereit. Hier kann die Integration in eine Lernumgebung und die Integration in das betriebliche Berechtigungsmanagement mit RFID-basierter Zugriffskontrolle und Echtzeitdaten selber anschaulich ausprobiert werden. Die Demonstration kann vor Ort oder online erfolgen.

Projektstatus

80 %

Do’s und Don’ts

  • Unternehmen sollten die Vorteile im Hinblick auf den Einsatz von elektronischen Verfahren genau unter die Lupe nehmen
  • Smart Contracts sind auch jenseits von Bildungszertifikaten für die Realisierung von vertrauenswürdigen verteilten Prozessen einsetzbar. 
  • Bei der Auswahl der Smart-Contract-Plattform ist zu prüfen, welche am besten individuell passt
  • Die Initiative Mittelstand-Digital verfügt über viele Ansprechpartner/-innen zum Thema Smart Contracts und Blockchain, die weiterhelfen können
  • Der Einsatz von Smart Contracts ist im Vorfeld gut zu prüfen. Nicht für alle Bereiche, in denen Smart Contracts eingesetzt werden können, sind sie in konkreten Fällen auch die beste Lösung



Weitere Lesetipps

Kontaktmöglichkeit

Prof. Dr. Dominic Heutelbeck

Nordrhein-Westfalen

mail_outline

+49 231 / 975056-0

SCHLAGWORTE

Passende Themen

Eine Frau zeigt mit ihrem Finger auf die Uhr an ihrem Handgelenk.

Digitale Transformation

Technologie in der Praxis

Neue Technologien entwickeln sich in rasender Geschwindigkeit. Eine Herausforderung für Unternehmen. Doch neue Technologien bedeuten neue Fähigkeiten. Weiterlesen

Smart Service

Digitale Transformation

Die Chancen von Smart Services erkennen

Die Vernetzung von Unternehmen und Kunden/-innen rückt immer stärker in den Fokus. Schon heute bieten sich viele Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen. Weiterlesen

In vielen Unternehmen sammeln sich viele Datenmengen an, die nicht mit herkömmlichen Mitteln ausgewertet werden können.

Digitale Transformation

Big Data bietet Chancen für KMU

Kleine und mittlere Unternehmen können von der Analyse ihrer Daten profitieren. Wir erklären, worauf es ankommt und wie sie genutzt werden können. Weiterlesen