Kooperationspartnerwahl und Vertrauensbildung in der Unternehmensgruppe

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12. April 2021 | Von Nele Karsten

Kooperationen und Partnerschaften gelten als einer der Erfolgsfaktoren in der digitalen Transformation, da sie erfolgsversprechende Synergien zwischen Unternehmen schaffen. In einem dreiteiligen Interview mit Igor Haschke, Gründer der Unternehmensgruppe Berlin.Industrial.Group. (B.I.G.), haben wir nachgefragt, wie sich der Aufbau von Netzwerken in der Praxis gestaltet, welche Motive dabei eine Rolle spielen und welche konkreten Herausforderungen die B.I.G. dabei überwinden musste.

Im ersten Teil des Interviews, hat Igor Haschke bereits berichtet, welche Bedarfe und Ideen der Gründung des Netzwerks zugrunde lagen und weshalb er die Selbstorganisation für die optimale Organisationsform für die B.I.G. hält. Im zweiten Teil erfahren wir, wie die Wahl der Kooperationspartner in der Praxis erfolgt ist, welche Rolle Vertrauen in der Zusammenarbeit und Netzwerkbildung spielt und wie mit Wettbewerb innerhalb des Netzwerks umgegangen wird.

Herr Haschke, wie sind Sie damals bei der Auswahl der beteiligten Unternehmen vorgegangen?

Zwei Unternehmen sind aus der Scansonic hervorgegangen, eins haben wir mitgegründet und zwei haben wir dazu gekauft. Die Flying Parts haben wir erst vor Kurzem gegründet, aber das ist eher ein Experiment und weniger ein eigenes Unternehmen. Weitere Unternehmen kaufen wir in Zukunft aber wahrscheinlich nicht mehr. Wenn man bestehende Unternehmen in die Gruppe integrieren möchte, ist sehr viel kulturelle Kohärenz notwendig. Da ist der Arbeitsaufwand, den man in die Angleichung der Kultur stecken muss, oft einfach zu groß. Das führt auch teilweise zu Krisen. Wir würden zukünftig eher nur noch Frühphasen-Unternehmen oder Neugründungen aufnehmen, wo es noch keine festen Strukturen gibt oder die Unternehmenskultur der Unseren sehr ähnlich ist. Letzteres ist aber eher die Ausnahme.

Welche Mitarbeiter/-innen arbeiten bei Ihnen im Servicebereich der B.I.G. Corporate Services? Kommen diese zum Teil aus den Mitgliedsunternehmen?

Ja, wir haben manche Mitarbeitende aus den Marktunternehmen herausgezogen und in den Strukturunternehmen angestellt. Die arbeiten dann in der Regel auch nur noch dort, sodass diese als Spezialisten auf ihrem Gebiet agieren können. Das hat allerdings Vor- und Nachteile, denn es gibt ja auch oft Themen, die zwischen den Bereichen liegen, wo dem Einen oder Anderen dann der Weitblick fehlt. Denn wenn ein Marktunternehmen Aufgaben an die Strukturunternehmen abgibt, dann bedarf das viel Vertrauen. Und wenn die Corporate Services aber die Perspektive der Marktunternehmen nicht mehr einnehmen können, kann das Vertrauen in deren Kompetenz und Mehrwert bröckeln.  

„Vertrauen ist dahingehend eine Herausforderung, Kompetenzen abzugeben und darauf zu Vertrauen, dass es in der Gruppe leistungsfähige Strukturen gibt, die einem die Arbeit auch wirklich abnehmen. Das war für Viele eine Herausforderung.“

Igor Haschke, Gründer der Berlin.Industrial.Group (B.I.G)

Inwieweit spielt Vertrauen aus ihrer Sicht eine Rolle bei der Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen?

Dadurch, dass es bei uns in der Gruppe ja Mehrheitsbeteiligungen sind, muss so oder so Transparenz hergestellt werden. Das war auch nie ein kritischer Punkt. Es war eher schwierig für die Unternehmen Kompetenzen abzugeben. Es gab Ängste, dass alles komplizierter und teurer wird als zuvor und dass man es nicht mehr selbst beeinflussen kann. Und irgendwo stimmt das auch, wir sind ja gerade auch noch eher in einem Zwischenstadium und noch nicht ganz da wo wir hinwollen. Vertrauen ist dann eher dahingehend eine Herausforderung, diese Kompetenzen abzugeben und darauf zu Vertrauen, dass es in der Gruppe leistungsfähige Strukturen gibt, die einem die Arbeit auch wirklich abnehmen. Das war für Viele eine Herausforderung.

Die Strukturunternehmen haben auch teilweise noch keine richtige Dienstleitungsmentalität, sondern manchmal ein Abteilungs- oder Konzerndenken angenommen, denn die Marktunternehmen sind ja auf sie angewiesen. Das beschädigt natürlich dann das Vertrauen, wenn die Leistung in Richtung der Marktunternehmen nicht so richtig kundenorientiert ist. Sie arbeiten zwar sehr gut, aber Kleinigkeiten machen da sehr viel aus. Sei es in der Kommunikation o.Ä.. Es gibt noch hier und da ein Grundmisstrauen und das ist ja auch ganz logisch. Man sieht das immer wieder in Konzernen, wo es Corporate Services gibt. Wenn man dort Mitarbeiter fragt, dann sind diese selten davon begeistert. Das Ganze hat diesen Hauch einer Beamtenmentalität. Da gibt es schon viele Vorurteile und zum Teil erfüllen wir die auch ein wenig.

Aber wir arbeiten daran und sehen es als Learnings. Wenn unsere internen Kunden unzufrieden sind, dann lernen wir daraus und verbessern unseren Service stetig weiter. Aber ja, das Thema Vertrauen ist dahingehend nicht immer einfach aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Es gibt allerdings auch Akteure, die einfach nur froh und dankbar sind, dass Ihnen die Arbeit abgenommen wird. Das kommt ganz darauf an, wie gut man die Themen Buchhaltung, Marketing, IT etc. selber im Griff hatte oder Aufgaben abgeben kann.

Lassen Sie Wettbewerb innerhalb der B.I.G. zu oder wird es von vornherein unterbunden?

Das kann ich ganz klar beantworten: Wettbewerb gibt es bei uns nicht. Jeder hat sein Spielfeld und wir achten schon sehr darauf, dass wir keine Unternehmen reinholen, die sich gegenseitig auf den Füßen stehen. Das halten wir für kontraproduktiv auch im Sinne der Effizienz. Dass es einen besseren Effekt gibt, mag sein, aber es würde nicht die Kultur fördern, die wir brauchen. Wenn wir Selbstorganisation einführen und leben wollen, dann passt eine kompetitive Kultur nicht dazu. Bei der Selbstorganisation geht es eben ganz viel um Kollaboration und auch vor Allem um Vertrauen. Das sind die Grundwerte die man haben muss, um selbstorganisiert zu arbeiten und dann funktioniert das auch sehr gut. Den Mitarbeitern tut das auch sehr gut und das war einer der Gründe warum wir es umgesetzt haben.

Es ging uns also nicht unbedingt nur darum das VUCA-Problem zu lösen, sondern von Anfang an ging es uns auch darum, dass sich die Menschen wohl fühlen sollen bei der Arbeit und dass es erfüllend sein soll. Das funktioniert gut in selbstorganisierten Teams, aber nicht mit Wettbewerb. Das ist für uns auch ein Learning. Selbstorganisation ohne funktionierende Teams geht nicht und gute Teams ohne tiefes Vertrauen funktionieren wiederum auch nicht. Vertrauen ist also die Basis für eine leistungsfähige Community. Denn diese funktioniert nur so gut wie das schlechteste Team in ihr. Sobald Misstrauen da ist, kann das Ganze kippen. Die Kultur ist dahingehend also sehr fragil und störanfällig. Man muss in einem selbstorganisierten System weitestgehend angstfrei leben können und deshalb lassen wir keinen Wettbewerb zu.

Erfahren Sie im nächsten Teil des Interviews, wie die B.I.G. mit Konflikten innerhalb der Gruppe vorgeht und wie die Weiterentwicklung interner Strukturen abläuft.

Dieses Interview ist Teil unseres Vertrauensbaukastens. Hier finden Sie unter anderem praktische Orientierungshilfen zum Aufbau von Kooperationen. Schauen Sie vorbei!

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