Kommunikation als zentrales Werkzeug im Veränderungsprozess

Auf dem Bild ist zu sehen: Das Team des Therapiezentrums balance in hellblauen Hemden und Logo und Hauptgebäude des Zentrums.

Bildquelle: Therapiezentrum balance

Wie können Vorbehalte gegenüber Veränderungsprozessen abgebaut werden?


19. Juli 2021 | Von Carolin Enke, Karoline Karl

Umsetzungsprojekt

Die Entscheidung eine neue Praxissoftware anzuschaffen kann weitreichende Folgen haben. Eine neue Technologie beeinflusst nicht nur den Praxisalltag. Sie kann auch zur Akzeptanzproblemen bei den Mitarbeiter:innen führen. Die Transparente Kommunikation unterstützt dabei, Mitarbeiter:innen zu informieren, aber vor allem zu motivieren, um die Phase der Unsicherheit in Veränderungsprozessen auszuhalten und Widerstände aufzufangen.   

Übersicht des Projektstatus

  • Ausgangslage
  • Herausforderung
  • Ideen & Bedenken
  • Hilfe durch das Kompetenzzentrum
  • Lösungen
  • Ergebnis

AUSGANGSLAGE

Das Therapiezentrum balance in Hünstetten besteht aus drei Praxen in den Bereichen Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie mit 26 Mitarbeiter:innen. Über einen angegliederten Verein bietet das Zentrum seinen Patient:innen verschiedene Kursangebote und Fortbildungen an. Dort stehen die Vorsorge, Förderung und Bildung von Kindern und Erwachsenen außerhalb therapeutischer Maßnahmen im Mittelpunkt. Ein gemeinsames Büro-Team unterstützt den gesamten Verbund.

Das Therapiezentrum arbeitet schon seit einigen Jahren mit einem digitalen Buchungs- und Anmeldesystem, das bei Mitarbeiter:innen zu einem höheren Aufwand führt, statt sie im Arbeitsalltag zu unterstützen. Deshalb hat das Therapiezentrum sich zu einer Umstellung auf ein neues Softwaresystem entschieden.

Im Therapiezentrum besteht bereits seit dieser ersten Digitalisierung der Buchungs- und Anmeldeprozesse ein Digitalisierungsteam: Mitarbeiter:innen aus allen Praxen sowie das gesamte Büroteam begleiten in enger Abstimmung mit dem Leitungsteam alle digitalen Prozesse. Dabei bildet das Digitalisierungsteam eine Kommunikationsschnittstelle zwischen den angestellten Therapeut:innen und der Leitungsrunde.

Das Therapiezentrum wünschte sich eine Begleitung im Umstellungsprozess auf die neue Praxissoftware. Der Fokus liegt vor allem auf dem Sichtbarmachen von Ängsten und Bedürfnissen der Mitarbeiter:innen im Veränderungsprozess sowie der Unterstützung bei der Softwareeinführung, mit dem Ziel die Mitarbeiter:innen bestmöglich mitzunehmen.

HERAUSFORDERUNG

Bei dem bisher genutzten System war es nicht möglich, dass die Therapeut:innen bei Außenterminen oder Hausbesuchen mobil auf das Buchungssystem zugreifen konnten. Das verkomplizierte die administrative Bearbeitung. Der Mangel an Flexibilität in der Terminvereinbarung führte häufig zu Terminüberschneidungen und damit zu erhöhtem organisatorischen Aufwand, sowohl für das Büroteam als auch für die Patient:innen.

Dieses Problem sollte durch ein neues Softwaresystem aufgefangen werden, welches den Mitarbeiter:innen erlaubt, über mobile Endgeräte die Termin- und Patientenkoordination zu gestalten. Das Zentrum besteht aus verschieden Praxen mit jeweils eigener Leitung, ein praxisübergreifender Austausch ist durch die Pandemie-Situation sehr eingeschränkt. Diese besonderen Gegebenheiten führten zu einem nicht immer einheitlichen Kommunikationsfluss zwischen Leitungsebene und Belegschaft, sodass für die Mitarbeiter:innen teilweise keine einheitliche Struktur im Umstellungsprozess erkennbar war. Daraus folgte eine starke Verunsicherung und eine eher negative Haltung der Beteiligten dem Veränderungsprozess gegenüber.

IDEEN UND BEDENKEN

Mitarbeiter:innen reagierten anfänglich sehr unterschiedlich auf die Einführung der neuen Praxissoftware. Einige waren sehr erfreut, neugierig und motiviert, sich mit der neuen Software und neuen Themen auseinanderzusetzen. Andere Mitarbeiter:innen reagierten mit Ängsten und einer Abneigung gegenüber der neuen Lösung und den damit verbundenen Veränderungen.

Einigen Mitarbeiter:innen fehlte das Verständnis für die Softwareumstellung: „Mit dem alten System sind wir doch gut zurechtgekommen“, hieß es von den Beschäftigten. Auch innerhalb der Leitungsrunde herrschte keine einheitliche Haltung gegenüber der Umstellung, was auch auf Mitarbeiterebene sichtbar wurde und ein positives Angehen des Veränderungsprozesses zusätzlich erschwerte. Zudem wurde deutlich, dass die Praxisleitungen eine bessere Sichtbarkeit für aufkommende Bedarfe der Mitarbeiter:innen benötigen. Auch in die andere Richtung fehlte es an einer einheitlichen Kommunikation und Information für die Mitarbeiter:innen.

HILFE DURCH DAS KOMPETENZZENTRUM

Das Therapiezentrum hat sich an das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kommunikation gewandt, um Unterstützung während des Umstellungsprozesses zu erhalten. Ursprünglich ging es vor allem um die Frage, wie Mitarbeiter:innen während der Veränderung mitgenommen und unterstützt werden können. Wir haben uns gemeinsam mit der Leitung der Gemeinschaftspraxis dazu entschieden, Workshops mit dem bestehenden Digitalisierungsteam durchzuführen. Parallel fanden in regelmäßigen Terminen Abstimmungen mit der Leitung statt, um die erarbeiteten Ergebnisse, Ideen, Bedarfe, Wünsche und Bedenken aus dem Digitalisierungsteam gebündelt an die Leitung heranzutragen.

In einem ersten Workshop mit dem Digitalisierungsteam erfolgte zunächst eine Bedarfsanalyse, um zu prüfen, was bis zum Stichtag der Umstellung passieren muss. Ein intensiver Schulungstag mit dem externen Dienstleister des neuen Systems stand kurz bevor und es galt, systematisch einen Fragenkatalog für diesen Schulungstermin zu gestalten. Zusätzlich hat das Kompetenzzentrum das Digitalisierungsteam darin bestärkt, eine selbstbewusste Kundenhaltung einzunehmen und beispielsweise einzufordern, dass die Schulung auf Grundlage der bereits eingerichteten Software, zugeschnitten auf die Praxisgemeinschaft, stattfindet. Dies ist in Teilen gelungen.

Weiterhin wurde in der Bedarfsanalyse deutlich, dass die Kommunikationswege zwischen den Mitarbeiter:innen und den Praxisleitungen neugedacht werden mussten. Auch das Thema Führung wurde als wichtiger Hebel im Umstellungsprozess gesehen. Denn wenn die Leitungsebene motiviert und mit positiver Haltung vorangeht, färbt das auf das gesamte Team ab. 

Um einen Überblick über die Emotionen, Bedenken und Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen zu erhalten, wurde eine Mitarbeiterumfrage durchgeführt. Diese gab der Belegschaft die Möglichkeit, ihre Gedanken zur Umstellung anonym in die Gestaltung des Veränderungsprozesses einfließen zu lassen. Die Ergebnisse aus der Umfrage wurden in einem weiteren Workshop entsprechend der Fragestellungen: Welche Bedarfe gibt es auf Mitarbeiterebene und wie kann ein Umgang mit den Bedarfen erfolgen? mit dem Digitalisierungsteam bearbeitet.

Deutlich wurde vor allem der Wunsch nach solider Qualifizierung für das neue System. Hier wurden verschiedene Trainingsangebote zur Verfügung gestellt sowie die Möglichkeit eingeräumt, jederzeit Personen um Hilfe bitten zu können, die das System vollständig überblicken. Weiterhin kam der Wunsch nach einer einheitlichen Kommunikation des Leitungsteams in die gesamte Praxisgemeinschaft, mehr praxisübergreifender Austausch und ein klarer Fahrplan für die Umstellung auf. Während der Corona-Pandemie und bei gleichzeitigem Wachsen der Praxisgemeinschaft war den Mitarbeiter:innen das Gefühl einer Gemeinschaftlichkeit abhandengekommen. Vor allem dieser offene Austausch und die Befähigung von internen Expert:innen, die den Mitarbeiter:innen bei Fragen jederzeit zur Verfügung stehen, haben das Potenzial, positive Erlebnisse mit dem Neuen zu erhalten und Akzeptanz für den Veränderungsprozess zu schaffen.

Anschließend wurde der Aufbau einer Testumgebung für die Mitarbeiter:innen im Umgang mit der neuen Software angestoßen, in der sie ohne Konsequenzen Fehler machen und ausprobieren konnten. So entstanden erste Erfahrungswerte und das Vertrauen im Umgang mit der Software konnte vorangetrieben werden. Zudem wurden konkrete Übungssessions während der Teamsitzungen  etabliert. Im Abschlussworkshop mit dem Digitalisierungsteam wurde schließlich der Entwurf für ein praxisübergreifendes Kommunikationskonzept erarbeitet, das eine offene und strukturierte Kommunikation zwischen Mitarbeiter:innen und Leitungsebene gewährleisten kann.

LÖSUNGEN

Manchmal müssen in Veränderungsprozessen ganz andere Dinge angegangen werden, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Wenn es an der Kommunikation im Unternehmen hapert, wird keine digitale Veränderung gut gelingen können. Mit seinen Interventionen und Feedbacks hat das Kompetenzzentrum an vielen Stellen notwendige Prozesse im Therapiezentrum balance anstoßen können.

Vor allem wurden durch das Kompetenzzentrum Anregungen gegeben, um die Wünsche und Bedarfe der Belegschaft und der Führungskräfte in konkrete Umsetzungsschritte zu übersetzen: Gesprächsrunden zu positiven wie negativen Erfahrungen wurden angestoßen, Möglichkeiten der Förderung des Austausches untereinander aufgezeigt (z.B. Lunch-Dates, die den derzeitigen Kontaktbeschränkungen folgen).

Auch ist das Therapiezentrum sensibilisiert hinsichtlich des gemeinsamen Feierns kleiner Erfolge – das hält Mitarbeiter:innen wie Führungskräfte im teilweise auch schwierigen Veränderungsprozess bei der Stange. Auch auf die flächendeckende und gleichartige Qualifizierung aller Mitarbeiter:innen wurde im Unternehmen Wert gelegt. Die Führungskräfte dienen während des Prozesses einerseits als Vorbilder, aber auch als Expertinnen, die für die Fragen ihrer Mitarbeiter:innen zur Verfügung stehen.

ERGEBNIS

In Veränderungsprozessen braucht es vor allem eine offene, ehrliche und transparente Kommunikation. Die Etablierung eines Kommunikationsprozesses zur Gestaltung der praxisübergreifenden Kommunikation, die Belegschaft und Leitungsebene gleichermaßen berücksichtigt und in beide Richtungen gut aufgestellt ist, wird dem Therapiezentrum nicht nur während der jetzigen Umstellungsphase, sondern auch langfristig zugutekommen. Transparente Kommunikation beugt auch Missverständnissen oder fehlgeleiteten Erwartungshaltungen vor.

Eine transparente Kommunikation bildet außerdem die Basis für das Gemeinschaftsgefühl, das die Mitarbeiter:innen seit einiger Zeit vermisst haben. Und dieses Gemeinschaftsgefühl wiederum stärkt das gesamte Unternehmen im Angehen und Auffangen der Herausforderungen, die jeder Veränderungsprozess mit sich bringt. Wichtig bei der Einführung eines neuen Kommunikationskonzeptes ist es, auf bereits Bestehendem aufzubauen und so wenig wie nötig zu ändern. Neue Kommunikationsansätze lassen sich in bestehenden Meetings umsetzen, bestehende Kommunikationskanäle können auf neue Art genutzt werden.

Auch die zukünftig stärker sichtbare Einheit der Leitungsebene wird dabei helfen, die Mitarbeitermotivation zu steigern und die positiven Seiten des neuen Systems zu sehen. Ein wichtiger Punkt in Veränderungsprozessen ist es, gleichermaßen Fortschritte als auch Rückschritte und Schwierigkeiten anzuerkennen und transparent zu kommunizieren. Es kann nicht immer alles rund laufen und es gibt immer wieder Frustrationspunkte. Diese zu negieren führt dazu, dass es unterschwellig brodelt und keine positive Haltung der Veränderung gegenüber entstehen kann.

Transparente Kommunikation:

  • Ermöglicht schnelleres Verfügbarmachen relevanter Informationen für alle Mitarbeiter:innen
  • Nimmt Einfluss auf die Leistungsfähigkeit einer Organisation
  • Beugt der Entstehung von Missverständnissen und Gerüchten vor
  • Ermöglicht Feedbackprozesse in beide Richtungen: Sowohl von Mitarbeiter:innen zu Führungskräften, als auch andersherum
  • Ermöglicht einen Wissensaustausch zwischen Leitungsebene und Belegschaft: beide können voneinander lernen
  • Stärkt den Zusammenhalt und macht damit das Unternehmen sowie die einzelnen Mitarbeiter:innen und Führungskräfte widerstands- und leistungsfähiger

Wie kann ein Kommunikationsprozess zielgerichtet gestaltet werden?

  • Mitarbeiter:innen kommunizieren in einem regelmäßigen Turnus ihre Themen über eine Umfrage oder eine E-Mail an einen ausgewählten Mitarbeiterkreis, der diese Themen sichtet, bündelt, anonymisiert und aufbereitet an die Führungskräfte weitergibt.
  • Lösungsorientiertes Denken steht hier im Vordergrund – nicht nur auf Bedarfe aufmerksam machen, sondern gleich auch mögliche Lösungen an die Führungskräfte weitergeben.
  • Es braucht klar benannte Verantwortliche, die in regelmäßigen Runden mit den Führungskräften Lösungen entwerfen und einfordern.
  • Die Führungskräfte kommunizieren regelmäßig über die jeweils gängigen Kommunikationskanäle die gefundenen Lösungen. Wichtig hierbei ist, dass auch Zwischenstände kommuniziert werden und auch deutlich gemacht wird, wenn und warum ein Lösungsvorschlag nicht in die Umsetzung kommen wird.
  • Auch wenn bestimmte Veränderungen noch etwas Zeit benötigen, sollten Führungskräfte regelmäßig die Kommunikation zu ihren Mitarbeiter:innen suchen. Im Vordergrund stehen Motivation und Ehrlichkeit, auch wenn es kritische Themen zu besprechen gibt.

Projektstatus

90 %

Checkliste

  • Frühzeitiges Einbinden von Mitarbeiter:innen in den Umstellungsprozess
  • Transparente Kommunikation über alle Ebenen hinweg zum Aufbau von Vertrauen in den Prozess
  • Etablierung und regelmäßige Nutzung von Kommunikationskanälen
  • Ehrliche und motivierende Kommunikation, auch, wenn es mal Probleme gibt oder der Prozess stagniert
  • Führungskräfte als Vorbilder für ein motivierendes und positives Voranschreiten nutzen
  • Räume schaffen für Austausch zu positiven, aber auch negativen Aspekten im Veränderungsprozess
  • Fehler sowohl auf Seiten der Belegschaft als auch auf Seiten der Führungskräfte zulassen, adressieren und als Anstoß zum Lernen und zur Weiterentwicklung sehen
  • Deutlich machen, dass es kein Zurück zum alten System gibt
  • Wertschätzender Umgang miteinander

Weitere Lesetipps

Kontaktmöglichkeit

Nele Karsten

Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern

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+49 331 / 730404 - 304

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