Wie kann ich mein Geschäftsmodell neu denken?

Auf dem Tisch liegen ein Smartphone, Notizzettel in grün und weitere Analysedaten plus Textmarker. Ein Mann schreibt.

Bildquelle: Pixabay

Kleine und mittlere Unternehmen haben Wettbewerbern gegenüber Chancen, wenn sie neue digitale Geschäftsmodelle entwickeln.


12. März 2021 | Von Antonia Wagner

Die Digitalisierung, der demografische Wandel, die wachsende Individualisierung und die zunehmende Globalisierung sind nur einige Megatrends, die Unternehmen seit einigen Jahren dazu zwingen, ihr Geschäftsmodell kritisch zu hinterfragen. Der Begriff der „Aktualität“ von Geschäftsmodellen bekommt besonders durch die digitale Transformation eine neue Dynamik, da sich Kundenbedürfnisse und -ansprüche in höherer Geschwindigkeit ändern und Unternehmen möglichst schnell auf diese Veränderungen reagieren müssen, um wettbewerbsfähig zu sein.

Unternehmensgründer nutzen Möglichkeiten der Digitalisierung

Neue digitale Technologien bieten Unternehmen dabei vielfältige Chancen, ihr bestehendes Geschäftsmodell weiterzuentwickeln oder sogar neu zu denken. Auch das junge Unternehmen CATHAGO, welches im vergangenen Jahr mit seiner Geschäftsidee einer innovativen Handelsplattform für nachhaltige Baustoffe an den Markt ging, nutzte die Chancen der digitalen Transformation für sich. Die gemeinsame Leidenschaft der beiden Gründer, Emil Buxmann und Richard Göldner, Digitalisierung und Nachhaltigkeit in der Baubranche voranzutreiben, bildete das Fundament für das Geschäftsmodell.

In den vergangenen Monaten erkannten die beiden Geschäftsführer, dass das Geschäftsmodell ihres Unternehmens noch viel Weiterentwicklungspotential bietet und sich den ständig verändernden Bedürfnissen von Kunden/-innen anpassen muss.

Wie können Geschäftsmodelle neu gedacht werden? Welche Probleme kann es dabei geben? Was kann ich als Geschäftsführer dafür tun, souverän und flexibel mit Veränderungen umzugehen? Diese und weitere Fragen haben wir Emil Buxmann und Richard Göldner gestellt.

Was hat Sie dazu gebracht, das Geschäftsmodell von CATHAGO neu zu denken? Wann wurde Ihnen klar, dass Sie etwas ändern müssen?

Richard Göldner: Wir haben relativ schnell in Gesprächen mit den Aktueren/-innen des Marktes festgestellt, dass unser Geschäftsmodell, so wie es aktuell ist, kein akutes Problem löst. Das bedeutete für uns in erster Linie, dass wir nicht ausreichend zahlende Kunden/-innen für die Nutzung der Plattform gewinnen konnten. Dazu kam, dass die Profilschärfe zu Konkurrenzunternehmen fehlte. Die Braubranche ist ein Zweig mit komplexen und vielfältigen Beschaffungsprozessen, die wir in dieser Form nicht über unser Geschäftsmodell abdecken konnten.

Emil Buxmann: Als eine zusätzliche Herausforderung zeigte sich, dass der Nutzen von CATHAGO als digitale und nachhaltige Händlerplattform für viele Unternehmen nicht greifbar war. Wir haben uns zu Beginn sehr stark auf kleine Unternehmen als unsere Zielgruppe konzentriert. Obwohl die Motivation gegenüber der Digitalisierung bei vielen Betrieben gegeben ist, fehlt nach wie vor häufig die digitale Infrastruktur und die Bereitschaft, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit intensiv auseinanderzusetzen.

Ein weiterer Faktor, der dort mit reinspielte, sind die fehlenden Datenstrukturen in vielen Unternehmen, häufig werden Daten nicht einheitlich erfasst, sodass keine Grundlage besteht, diese in das System einzuspeisen. Anschließende Gespräche mit Branchenexperten haben uns gezeigt, dass unser Vorhaben sehr schwierig in der Umsetzung ist und nicht in dem durch uns gesetzten Zeitrahmen realisierbar. Im Austausch mit großen Bauunternehmen haben wir hingegen sehr positives Feedback erhalten und deutlich schneller Kontakt aufbauen können, sodass wir unsere Zielgruppe neu definiert haben. Für diese neue Zielgruppe musste jedoch auch ein neues Geschäftsmodell her, da die ursprünglich geplante Plattform nicht für Großprojekte geeignet ist.

Wie sind Sie persönlich mit der Erkenntnis umgegangen, dass das bestehende Geschäftsmodell so nicht zukunftsfähig ist?

Richard Göldner: Nachdem unser bestehendes Geschäftsmodell im Markt eher auf mageres Feedback gestoßen ist, haben wir die Kritik angenommen und uns überlegt, neue Möglichkeiten der Umsetzung in Betracht zu ziehen und einzugrenzen. Wir haben uns Mentoren dazu geholt, die uns fachlich bei der Umgestaltung unseres Geschäftsmodells begleitet haben und uns dabei unterstützen, eine neue Marktabfrage durchzuführen.

Emil Buxmann: Im Großen und Ganzen war es ein fließender Prozess. Wir haben uns nach jeder negativen Erfahrung gefragt, wie wir unser Produkt verbessern können, um auf Kritik zu reagieren. Dadurch war es ein fortschreitender Entwicklungsprozess und kein radikaler Umbruch, der uns die Füße weggerissen hätte.

Da wir zum damaligen Zeitpunkt geringe Verpflichtungen hatten, also kein Investment, konkrete Kunden/-innen oder Verträge, waren wir frei in der Entscheidung, unser Geschäftsmodell zu wandeln. Nichtsdestotrotz war es für uns natürlich ein sehr anstrengender Prozess, der uns viel abverlangt hat und auch heute noch anhält. Wir entwickeln uns nach wie vor weiter. Zwar ist unser Geschäftsmodell jetzt gewählt, aber unser Produkt wird sich stetig weiterentwickeln, um den Kundenansprüchen gerecht zu werden und diese in Zukunft noch zu übertreffen. Das ist unser Anspruch an uns selbst. Wir konnten uns immer aufeinander verlassen und hatten beide die gleiche Erkenntnis und den geteilten Willen, uns weiterzuentwickeln, das Produkt und die Zielgruppe anzupassen. Dadurch war der Wandel sehr viel leichter.

Wie sind Sie bei der Anpassung Ihres Geschäftsmodells vorgegangen?

Richard Göldner: Wir haben uns von der ursprünglichen Idee des Marktplatzes verabschiedet und nach Gesprächen mit großen Bauunternehmen die bestehenden Prozesse analysiert, von der Ebene der tatsächlichen Einkaufsprozesse (Produkte) bis hin zur Steuerung der Kommunikation zwischen Bauunternehmen und Lieferanten. Nachdem wir den Bedarf der Unternehmen identifiziert haben, folgten erste Gespräche mit weiteren potenziellen Kunden/-innen, die diese Bedürfnisse bestätigt haben. Im Rahmen eines Fake-Door-Experimentes erhielten wir eine positive Resonanz von 70 Prozent der Unternehmen, die das Produkt nutzen wollen. Anschließend sind wir in die Produktentwicklung gegangen und haben einen Produkttest mit weiteren 200 Unternehmen durchgeführt. Nachdem auch dieser Test erfolgreich war, haben wir einen Softwareentwickler an Board geholt, der sich um die Produktentwicklung kümmert.

Die Idee des Fake-Door-Experiments ist es mit noch nicht existierenden Produkten die Kaufbereitschaft seiner Zielgruppe zu testen. Durch das bewerben eines Produkts, welches noch nicht zugänglich für Kunden ist, haben Unternehmen die Möglichkeit ihr Produkt schnell und kostengünstig an die Bedürfnisse des Kunden anzupassen. 

Emil Buxmann: In Absprache mit unserem Entwicklerteam und einigen Kunden/-innen haben wir dann die relevantesten Funktionen für unseren MVP identifiziert und arbeiten nun seit Januar 2021 an der wirklichen Entwicklung unserer Plattform. Launch des neuen Produktes wird der 01.04.2021 sein.

Was nehmen Sie für sich und Ihr Unternehmen aus dem durchlaufenen Veränderungsprozess mit? Was würden Sie anderen Unternehmen raten, die mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen haben?

Richard Göldner: Im Fokus steht immer die Zielgruppe. Daher ist es wichtig, immer mit potenziellen Kunden/-innen in den Austausch zu gehen. Ist der Kunde bereit, Geld zu zahlen? Wenn ja, wie viel? Wie kann man Ihm das Leben leichter machen? Man sollte sich das Feedback zu Herzen nehmen und unbedingt in die Produktentwicklung einfließen lassen. Außerdem ist es sinnvoll, mit dem Vertrieb bereits in der laufenden Produktentwicklung zu starten und potenzielle Partner für eine gemeinsame Entwicklung zu finden. Man sollte sich nicht davor verschließen, über sein Geschäftsmodell zu sprechen, weil man Angst hat, dass ein anderes Unternehmen die Ideen kopiert. Vertrauen, Austausch und Kooperation sind das A und O.

Ich rate anderen Unternehmen, schnell mit einem Prototyp eine Marktabfrage zu starten, um zu identifizieren, wie das Produkt vom Markt angenommen wird. Dabei ist es nicht wichtig, ein perfektes Produkt zu haben und sich nicht auf sein Geschäftsmodell zu versteifen. Man sollte offen für Kritik sein, und konstruktiv mit Problemen umgehen.

Emil Buxmann: Das Wichtigste: So schnell wie möglich in den Austausch mit Kunden/-innen zu gehen. Am besten ist dafür, die potenziellen Kunden/-innen bereits bei der Produktentwicklung einzubeziehen. Durch unser Fake Door Experiment haben wir unglaublich viel wertvolles Feedback gewinnen können, das hat uns sehr geholfen. Wir haben in dieser Zeit täglich unzählige Gespräche geführt und Produktdemos mit interessierten Kunden/-innen vereinbart. Wir arbeiten jetzt in Sprints und haben unsere Plattform mit Hilfe einer modularen Bauweise ausgerichtet, um schneller auf Feedback reagieren zu können und das Produkt sowohl in der Prozesstiefe als auch in der Breite flexibel erweitern zu können.

Wir danken Ihnen für das Interview!

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