Handwerkszeug für ein digitales Geschäftsmodell in der Modebranche

Digitale Geschäftsmodelle in der Modebranche

Bildquelle: Gustavo Fring//Pexels


24. Februar 2022 | Von Carolin Enke

Mode ist Kreativität, Individualität und Dynamik, aber selbst hinter der freizügigsten Marke und der flippigsten Kreation stecken anspruchsvolle Management- und Marketingprozesse, ohne die Mode nicht funktioniert. Neben dem Wissen über die Mode bedarf es eines fundierten Verständnisses über die Zusammenhänge von Märkten, Unternehmensstrukturen und Zielgruppen.

Um zu verstehen, welches Handwerkszeug Unternehmer:innen beim Aufbau eines digitalen Fashion Business benötigen, haben wir Frau Claudine Brignot, Designerin sowie Gründungsdekanin der Fakultät Creative Business und Professorin für Modemarketing an der BSP Business and Law School befragt. Frau Brignot beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit Themen wie Produkt- und Kollektionsentwicklung, Textilwirtschaft und -technologie sowie Trend- und Lifestyleforschung.

Frau Brignot, was verstehen Sie unter einem digitalen Fashion Business und welche Chancen ergeben sich daraus für Unternehmer:innen?

Je nach Größe und Ausrichtung des Modeunternehmens bedeutet es, Digitalisierungsprozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette voranzubringen und aufeinander abzustimmen. Speziell in den letzten zwei Pandemiejahren hat die Digitalisierung in allen Bereichen der Modeindustrie – dem Handel, der Kommunikation, dem Design und der Produktion – an Fahrt aufgenommen. Immer mehr Glieder der textilen Kette verlagern sich in den digitalen Raum; von der Beschaffung über die Visualisierung von Modepräsentationen, bis hin zum Online Shopping. Der digitale Handel verzeichnet einen enormen Zuwachs. Die letzten Monate im Home-Office lockten auch die letzten digitalen Zauderer in die globalen Onlineshops. Auch der Stellenwert sozialer Medien als Trendbarometer, Marketing- und Shoppingtool nimmt über alle Generationengrenzen hinweg weiter zu. Zudem müssen die Fashion Weeks und die gesamte Modemesselandschaft neu gedacht werden. Das sind Herausforderungen vor allem für Traditionsunternehmen, klassische Einzelhändler und unabhängige Designer. Große Chancen sehe ich für Gründer:innen, die jetzt ihr Unternehmen von Grund auf digital neu aufstellen und die Nase vorne haben.

Claudine Brignot, Professorin für Modemarketing

Welche Fragen müssen sich Unternehmer:innen stellen, der ein digitales Fashion Business aufbauen möchte?

Gerade bei Neugründungen ist es sinnvoll, sich als Dienstleister:in zu verstehen, einen reell identifizierten Bedarf abzudecken und eine klar abgesteckte Nische zu bedienen. Betrachtet man den Modemarkt, stellt man schnell fest, dass wir es mit einem stark übersättigten Markt und einem Warenangebot zu tun haben, das den tatsächlichen Bedarf bei weitem übersteigt. Der jährliche Kleiderkonsum beträgt durchschnittlich 60 Bekleidungsstücke pro Kopf. Mit dem Inhalt unserer Kleiderschränke ließe es sich gut die nächsten sechs bis zehn Jahre leben, ohne jegliche Neukäufe tätigen zu müssen. Von daher sollte das Ziel bei Neugründungen in der Modebranche heißen, digital ausgerichtete Lösungen auf die dringenden Fragen der Nachhaltigkeit und des Konsums zu finden und umzusetzen. Das können zum Beispiel Konzepte wie digitale Micro Factories sein, bei denen auf individuelle Kundenwünsche angepasste – und somit langlebige – Modeprodukte industriell produziert werden. Digitale Orderplattformen, die sich stärker nach dem Bedarf als nach Saisons ausrichten oder die Umsetzung digitaler Fashionshows, bei denen die Lust der Zuschauer an exklusiven – und oftmals nur für die Show produzierten – High Fashion Teilen nicht an reellen Models, sondern an perfekt nachgebildeten Avataren präsentiert werden.

Welches Handwerkszeug brauchen Unternehmer:innen für die Umsetzung eines digitalen Fashion Business?

Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, da es einen Unterschied macht, ob sie als Unternehmen einen digitalen Messeplatz organisieren oder den Design- und Kollektionsprozess mithilfe digitaler Tools wie z.B. 3D Schnitt- oder Visualisierungsprogrammen optimieren wollen. Grundsätzlich ist ein digitales Mindset erforderlich, in Kombination mit technologischem Know-how und einem gesunden Hang zum Risiko. Auch die Offenheit für unterschiedliche Formen agilen Arbeitens, ein permanentes Scannen des Marktes, der Konsumkultur oder des Kundenverhaltens verbunden mit einem schnellen Reaktionsvermögen sind von Vorteil.

Wie können Unternehmer:innen ihr Geschäftsmodell in der Modebranche auch nachhaltig und langfristig am Markt platzieren?

Zentrale Voraussetzung ist wie bereits angesprochen eine kritische und sehr genaue Bedarfsanalyse und tiefgehende Kenntnisse der Branchenkultur. Die Modebranche verfügt über spezielle ästhetische Codes, die schneller als in jeder anderen Branche wechseln und im eigenen Unternehmen permanent adaptiert werden müssen. Von daher ist in der Mode grundsätzlich eine gute Balance zwischen einem starken Unternehmenskern und einer klaren inneren Haltung in Verbindung mit viel Flexibilität für Veränderungsbewegungen erforderlich. Zudem würde ich jedem Unternehmen empfehlen der nachwachsenden Generation und den hervorragend ausgebildeten Digital Natives viel Freiraum bei der Mitgestaltung zentraler Prozesse und eigene Handlungsfelder einzuräumen.

Wir danken Frau Brignot für das Interview!

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