Matthias Leppert und Thomas Weidmann haben im Jahr 2015 das Homburger Hörhaus gegründet. Die beiden Akustiker setzen dabei voll auf Digitalisierung. Früher sei in den Köpfen verankert gewesen „Hörgerät gleich alt“, sagt Leppert. Doch dieses Vorurteil gilt lange nicht mehr.
Heute tragen auch jüngere Menschen ein Hörgerät, kleine Mädchen sogar Geräte in Pink mit Glitzersteinen. Und auch die ältere Generation verändert sich. „Vor kurzem kam ein 90-jähriger Mann in den Laden. Dessen erste Anforderung war, dass sein neues Hörgerät mit dem iPhone kompatibel ist“, sagt Leppert.
Mit dem Hörgerät über einen Parcours
„Wir haben den Kunden/-innen zugehört und wollten etwas Anderes machen,“ sagt Leppert. In seinem Laden gibt es zum Beispiel einen Hörerlebnispfad mit unterschiedlichen Geräuschkulissen. „Wenn man lange von Hören entwöhnt war, dann ist es doch gut, sich langsam daran gewöhnen zu können.“ Seine Kundschaft läuft mit dem neuen Hörgerät über einen Parcours mit unterschiedlichen Bodenbelägen, wie Parkett, Kunstrasen, Kies. Ein Windgenerator erzeugt ebensolchen und als kleine Spielerei können die Hörenden einen Vogel per digitalisiertem Zauberstab singen lassen.
Digitalisierung kann Spaß machen. „Den Vogel, der eigentlich für Vergnügungsparks erfunden wurde, hat ein Freund von einer Prototypenmesse in Florida mitgebracht“, sagt Leppert. Jetzt singt er als einziger seiner Art in Europa, und zwar im Hörgarten in Bad Homburg. Zudem kann die Kundschaft Trainings mit einem so genannten Ting-Stift machen, einem Hörstift. Berührt man mit der Spitze vorgegebene Punkte, werden Geräusche abgespielt.
Vom Hörakustiker zur Selbstständgkeit
Die beiden Geschäftsführer haben sich in einem früheren Betrieb kennengelernt. Dort haben beide ihre Ausbildung zum Hörakustiker gemacht und 13 Jahre zusammengearbeitet. Als der Eigentümer in den Ruhestand ging, hat er seinen Betrieb an eine Hörakustik-Filialkette verkauft.
Heute arbeiten die beiden Gründer vor allem im Service mit digitalisierten Methoden, um die Kunden/-innen besser zu bedienen. So warten die drei Hörakustiker – neben den beiden Inhabern ist noch eine Meisterin angestellt – die Hörgeräte der Kundschaft aus der Ferne. Der Hörgerät-Hersteller bietet dazu eine Plattform, über die mit einer App per Smartphone kommuniziert werden kann. Die Messergebnisse werden anonymisiert erfasst, sodass der Datenschutz gewährleitet bleibt.
Scanner digitalisiert Ohrabformungen
Auch die handwerklichen Tätigkeiten werden durch digitalisierte Prozesse verfeinert. So digitalisiert ein Scanner die von Hand hergestellten Ohrabformungen aus Silikon in 3D. „Eine direkte Digitalisierung des Ohres gibt es derzeit leider nur im Prototypenstadium“, sagt Leppert. So wird ein Postweg gespart und die Homburger Hörakustiker können selbst am Rechner die Otoplastiken modellieren und im Labor herstellen lassen.
Aber auch das Hörgerät an sich entwickelt sich immer weiter. So wird es Teil des „Internets der Dinge“: Bei manchen Geräten lässt sich das Einschalten des Hörgeräts morgens mit dem automatischen Start der Kaffee-Maschine übers Internet verknüpfen, erzählt Leppert. Die Innovationszyklen bei den Hörgeräten lägen bei gerade einmal zwei Jahren. Ein Grund, warum die Branche mit zweistelligen Umsatzzuwächsen boomt.
Digitales Marketing: Facebook-Like-Counter im Laden
Beim Marketing setzen die beiden Gründer auf digitale Kommunikation, zum Beispiel mit Website und Facebook. „Oft ist es so, dass der Enkel etwas recherchiert hat und informiert dann Oma und Opa“, sagt Leppert. „So erreichen wir unsere Zielgruppe auch digital.“ Aktuell bieten die Hörakustiker ihre Dienste und Produkte im eigenen Online-Shop „Pro Akustik Online“ an.
Auch die Website ist sehr serviceorientiert konzipiert: So könnten Interessenten schon dort einen ersten Hörtest durchführen, und im Newsbereich gibt es ähnlich wie in einem Blog regelmäßige Tipps rund um das Hören und den Schutz des Gehörs.
„Eine Idee, die Online- mit der Offline-Welt zu verbinden ist der Facebook-Like-Counter im realen Geschäft, der im Schaufenster platziert ist. So kann man im Geschäft sehen, wie viele Menschen unsere Facebook-Seite geliked haben“, so Leppert.
Dank Digitalisierung weniger Abrechnungsfehler
Auch in der Verwaltung nutzen Leppert und Weidmann täglich die digitalen Möglichkeiten: Die Kommunikation mit den Krankenkassen erfolgt ausschließlich elektronisch. Kostenvoranschläge werden über eine Schnittstelle an die Krankenkassen direkt über die Kundenverwaltung übermittelt. Auch bei der Abrechnung mit den Krankenkassen ist das so. „Der Vorteil ist, dass Papierrechnungen nicht von Dienstleistern digital erfasst werden müssen, um sie an die Krankenkassen zu übertragen – dabei passieren oft Fehler“, sagt Leppert. „Schon vor der Übermittlung findet eine Plausiblitätsprüfung statt. Das hat weniger Abrechnungsfehler zur Folge und verkürzt die Zeit bis zur Begleichung einer erbrachten Leistung.“
Demnächst werden Hörhaus-Kunden/-innen ihre Termine über einen digitalen Kalender auf der Website selbst eintragen können. Momentan sind die beiden Inhaber in Gesprächen mit Entwicklern. Das Homburger Hörhaus befindet sich ständig in der digitalen Transformation, denn Hörsystem entwickeln sich weiter. „Demnächst wird es ein Hörsystem geben, dass einen Fallsensor beinhaltet, das im Falle eines Sturzes des Träger (zum Beispiel durch einen Schlaganfall) selbstständig durch die Verbindung mit dem Handy Hilfe verständigen kann“.