Personal mit Blended Onboarding effektiver einarbeiten

Digitales Onboarding: Ein Mensch steht vor einer Fußmatte mit der Aufschrift "Welcome on Board"

Bildquelle: Pixabay

Digitales Onboarding ermöglicht die Einarbeitung von Personal aus der Ferne.


19. Oktober 2020 | Von Özkan Canel Altintop

Neue Kolleginnen und Kollegen in ein Unternehmen einzuführen, ist ein wichtiger Schritt. Das sogenannte Onboarding dient besonders dazu, Mitarbeitende zu integrieren, Vertrauen in Technologien zu fördern und mit Kolleginnen und Kollegen zusammenzubringen. Doch wie gelingt das gerade im Moment ohne physische Kontakte? Eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Wir haben mit Laura Evers gesprochen. Sie arbeitet für das Unternehmen blink.it, hat das Konzept „Blended Onboarding“ getestet und einen Leitfaden dazu entwickelt.

Frau Evers, was ist „Blended Onboarding“?

“Blended Onboarding” bedeutet, neue Mitarbeiter teilweise digital und teilweise in Präsenz einzuarbeiten. Ähnlich wie beim “Blended Learning” geht es um die Kombination aus Online-Lernen und Präsenzlernen, die in vielen Unternehmen schon erfolgreich in der Weiterbildung genutzt wird. Durch die Kombination mit “Onboarding” wird daraus eine wertvolle Chance, Mitarbeitende schnell und effektiv einzuarbeiten und dabei Zeit und personelle Ressourcen zu sparen.

Der Unterschied zwischen Blended Learning und Blended Onboarding liegt vor allem in der Präsenz: Beim Blended Learning sind das klassischerweise Schulungen, Seminare oder Coachings. Beim Blended Onboarding werden stattdessen kurze, thematische Sessions geplant, die von erfahrenen Mitarbeitenden geleitet werden. Die Sessions sind idealerweise in
Präsenz, können aber auch digital als Videomeeting stattfinden. Der Online-Kurs dient den neuen Mitarbeitenden zur Orientierung und liefert wichtige Unterlagen, Informationen oder auch kleine Aufgaben, die selbstständig bearbeitet werden.

Das Konzept “Blended Onboarding” haben wir im blink.it-Team entwickelt, da wir uns als Lernplattform-Anbieter täglich mit Online- und Blended-Learning beschäftigen. Wir haben das über die letzten Jahre immer weiter ausgefeilt. Ich selbst wurde nach diesem Prinzip
eingearbeitet und war auch schon Betreuerin für eine neue Mitarbeiterin im Team, kenne also beide Perspektiven.

Grafische Darstellung Blended Learning

Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen nach einer Begrüßung ihren Arbeitsplatz gezeigt und werden dem Team vorgestellt. So entsteht Nähe und Bindung. Wie kann das gelingen, wenn ein persönliches Kennenlernen nicht möglich ist? Wie startet das Onboarding aus der Ferne?

Das Onboarding startet im Online-Kurs mit einem kurzen Willkommensvideo von einer Betreuungsperson. Im Video werden neue Mitarbeitende persönlich begrüßt und der Betreuende stellt sich vor. Für das Kennenlernen finde ich es wichtig, dass es ein Video ist und keine Info-Mail! Ein Video zeigt Gesicht, Mimik und Stimme und vermittelt eine gewisse Form von Nähe, auch wenn kein persönliches Kennenlernen möglich ist. Um mehr Kollegen/-innen kennenzulernen, können auch Sessions von unterschiedlichen Personen geführt werden, beispielsweise um neuen Mitarbeitenden Einblick in andere Teams zu geben.

Kostenloser Leitfaden: Blended Onboarding in Unternehmen

Um das Kennenlernen auf beiden Seiten zu fördern, beinhaltet das Blended Onboarding außerdem noch ein Videotagebuch: Neue Mitarbeitende nehmen jeden Abend, für die ersten zwei bis vier Wochen, ein kurzes Video auf. Im Video erzählen sie in ein bis zwei Minuten, wie ihr Tag war, was sie gelernt haben oder wo sie noch Probleme haben. Das Video wird dann im Online-Kurs hochgeladen. Alle anderen Kollegen/-innen können es sich ansehen, kommentieren oder Fragen stellen. So lernen sich alle Teammitglieder spielerisch kennen.

Abgesehen vom Online-Kurs sind auch andere Kommunikationstools hilfreich, die die meisten Unternehmen oft sowieso nutzen: Videokonferenzen als gemeinsames digitales Mittagessen mit dem ganzen Team. Oder auch Chat-Tools, über die die neuen Mitarbeitenden direkt in die alltägliche Kommunikation integriert werden und Kontakt zu den neuen Kollegen/-innen aufbauen können.

Kann jedes Unternehmen ein Onlineboarding anbieten oder werden spezielle Kompetenzen gebraucht?

Ich bin überzeugt, dass jedes Unternehmen das Konzept umsetzen kann. Sie brauchen eigentlich nur drei Dinge: Wenn es um Kompetenzen geht, dann ist höchstens eine minimale Digitalkompetenz der einbezogenen Mitarbeitenden nötig. Immerhin wird hier mit einer Lernplattform und mit Videos gearbeitet. Die Videos werden einfach mit dem eigenen Smartphone erstellt. Die meisten Menschen haben sicher in den letzten Monaten privat ab und an über Videochats Kontakt gehalten. Das Sprechen in die Kamera sind also viele mittlerweile gewohnt. Grundsätzlich ist also keine besondere Ausbildung oder Kompetenz nötig.

Zweitens brauchen Unternehmen natürlich eine Online-Lernplattform, um den begleitenden Kurs zu erstellen. Für das Videotagebuch sollte es möglich sein, dass auch die Teilnehmer/-innen selbst Inhalte hochladen und die Inhalte kommentieren können. Das System sollte außerdem so einfach zu bedienen sein, dass auch Betreuende ohne spezielle IT-Kenntnisse damit arbeiten können.

Drittens muss der Wille da sein, sich auf das Konzept einzulassen. Das heißt, dass vor Allem Vorgesetzte und die fachlich Einarbeitenden motiviert sein sollten. Sie müssen wissen, warum das Ganze gemacht wird und was ihre Rolle ist. Wenn nicht ohnehin schon das ganze Unternehmen dahinter steht, lässt sich die positive Erfahrung auch mit anderen teilen, um es weiter auszurollen. Perfekt wäre es natürlich, wenn sich alle im Unternehmen für das Thema begeistern.

Wie können Unternehmenskultur und -Werte digital vermittelt werden?

Die reine Vermittlung gelingt im Onboarding selbst: Sind die Werte ausformuliert, können sie Teil des Onboarding-Kurses sein und in Sessions als Thema aufgenommen werden. Bei der Kultur an sich empfehle ich, jeden Kontakt zu nutzen, der möglich ist! Beispielsweise durch die schon genannten Video- oder Chat-Tools. Wichtig sind vor allem Zusammentreffen des Teams, um die natürliche Dynamik zu vermitteln, beispielsweise durch digitale Mittagspausen. Wie das in der Praxis aussieht, hängt natürlich von der jeweiligen Unternehmenskultur ab. Kultur und Werte vermitteln funktioniert definitiv auch digital, eventuell dauert es nur etwas länger als bei persönlichem Kontakt vor Ort.

Teamleiter oder Vorgesetzte müssen auch die Fortschritte der neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überprüfen. Kann das ohne persönliches Treffen gelingen?

Da die Basis des ganzen Onboardings ein Kurs auf der Lernplattform ist, können hier natürlich auch Fortschritte geprüft werden. Beispielsweise kann sich die Teamleitung ansehen, wie weit der neue Mitarbeitende im Kurs ist, oder Quizze oder Prüfungen zu wichtigen Themengebieten in den Kurs einbauen. In den Sessions, egal ob vor Ort oder via Videochat, bekommt auch die betreuende Person einen guten Eindruck von den Fortschritten. Hier sollte einfach ein regelmäßiger Austausch stattfinden zwischen Betreuendem und Vorgesetzten. Außerdem gibt auch das Videotagebuch einen guten Eindruck des Fortschritts – das sollten sich Vorgesetzte also definitiv auch ansehen.

Verkürzt sich durch Blended Onboarding die Einarbeitungszeit oder verlängert sie sich?

Unserer Erfahrung nach verkürzt sich die Einarbeitungszeit definitiv. Im Online-Kurs sind alle wichtigen Informationen, Dokumente und Unterlagen hinterlegt, bestenfalls sogar kurze Lern- und Erklärvideos zu komplexeren Aufgaben. Dadurch können sich neue Mitarbeitende viel schneller eigenständig organisieren, als das ohne eine solche Wissenssammlung der Fall wäre.

Durch die geplanten Sessions, die in den ersten Wochen bei unserem Onboarding täglich stattfinden, können auch Fragen und Probleme schneller und konkreter geklärt werden als beispielsweise via Mail oder “zwischendurch”. So ist es möglich, dass neue Mitarbeitende schneller eigenständig arbeiten können und die betreuenden Personen gleichzeitig nicht zu stark durch spontane Zwischenfragen von ihren Aufgaben abgelenkt werden.

Was kommt gut bei Mitarbeiterinnen an und was nicht?

Das Blended Onboarding an sich kam bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern grundsätzlich gut an: Sie haben immerhin einen Plan für die ersten Tage oder Wochen, wissen, was sie erwartet und können sich im Kurs eigenständig Wissen aneignen. Und durch die persönliche Betreuung fühlt sich auch niemand “allein gelassen” am neuen Arbeitsplatz.

Was manchmal mit etwas Zurückhaltung aufgenommen wird ist das Videotagebuch. So ging es mir bei meinem Onboarding übrigens auch: Von sich selbst Videos drehen und diese dann irgendwo hochladen, wo es alle sehen können? Das ist für viele erstmal ein komischer Gedanke und braucht vielleicht ein bisschen Überwindung. Aber spätestens wenn die ersten hilfreichen oder lustigen Kommentare von Kollegen und Kolleginnen kommen oder ein öffentliches Lob der Geschäftsführung, macht es doch eigentlich allen Spaß. Und der Spaß sollte letztlich auch nicht zu kurz kommen, um in einem neuen Team richtig anzukommen.

Frau Evers, vielen Dank für das Interview!

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