Kooperation statt Wettbewerb: Gemeinsam neue Lösungen entwickeln

Kooperationen können helfen. Ein Mann und eine Frau klatschen sich ab.

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Kooperationen verhelfen Unternehmen dazu, marktfähige Produkt- und Dienstleistungsinnovationen zu entwickeln und am Markt zu etablieren.


10. Dezember 2020 | Von Carolin Enke

Kooperationen und Partnerschaften gelten als einer der Erfolgsfaktoren in der digitalen Transformation. Der Grundgedanke des „Sharin is Caring“ zielt nicht auf eigennützige Wettbewerbsvorteile ab: ganz im Gegenteil! Er baut auf dem Ziel auf, gemeinsam neue Lösungsansätze zu entwickeln und zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu realisieren. Doch Kooperationen haben auch viel mit gegenseitigem Vertrauen, Mut und Offenheit zu tun, weiß Carolin Enke, Projektmitarbeiterin des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Kommunikation. Um uns ein paar Antworten auf die Fragen, wieso Kooperationen für Unternehmen gerade jetzt so wertvoll sind und wie mögliche Hürden und Hemmnisse überwunden werden können, hat Corolin Enke mit Patrick Halek gesprochen. Herr Halek gibt uns einige Einblicke in das Spannungsverhältnis zwischen Kooperation und Wettbewerb bei der Realisierung von digitalen Geschäftsmodellen aus Sicht eines Beraters für Unternehmensentwicklung.

Herr Halek, Sie arbeiten schon seit langem mit Unternehmen zusammen und begleiten diese bei Kooperationsprojekten Welche Treiber haben Unternehmen digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln?

Ein wichtiger Faktor ist, dass Wertschöpfungsketten und –netzwerke durch die Digitalisierung völlig neu definiert werden. Dadurch verändern sich der Wert und die Schlagkraft von bisherigen Alleinstellungsmerkmalen und Kernkompetenzen in Unternehmen. Darüber hinaus werden in manchen Branchen neue Vertriebskanäle geschaffen. Damit fallen angestammte Wettbewerbsvorteile oft weg und müssen neu herausgestellt werden. Beispiele dafür sind unter anderem die Musikindustrie und der Bekleidungshandel.

Außerdem verschieben sich gesamte Branchen und es wird ein grundsätzlich neuer Wettbewerb geschaffen. Unternehmen, die bisher in unterschiedlichen Branchen beheimatet waren, sind plötzlich unmittelbare Konkurrenten, wie beispielsweise Anbieter digitaler Fotografie, die aus ursprünglich völlig unterschiedlichen Branchen kommen. Deshalb müssen auch etablierte Unternehmen über ein neues Selbstverständnis, eine neue Positionierung und neue Geschäftsmodelle nachdenken.

Patrick Halek ist Unternehmensentwickler, Managementberater und Autor. Er studierte Betriebswirtschaftslehre und war danach bei Medienunternehmen in Kanada, Deutschland und Österreich sowie in der Organisationsberatung tätig. Der Fokus seiner Tätigkeit liegt auf der Entwicklung von aktivem Wandel und Innovationen, Wissen und Marken.



Sie haben angesprochen, dass sich grundlegende Märkte und Wertschöpfungsnetzwerke ändern und Unternehmen umdenken müssen. Welche Rolle spielen Kooperationen bei der erfolgreichen Realisierung von digitalen Geschäftsmodellen? Bitte geben Sie uns einen kurzen Einblick in Ihre Erfahrungen aus der Praxis.

Digitalisierung erfordert Kompetenzen, die in manchen Unternehmen nicht vorhanden sind. Das betrifft nicht nur bestimmte IT-Kompetenzen, sondern vor allem digitale Medien-Kompetenzen und Kompetenzen, die aufgrund der Verschiebung von gesamten Branchen benötigt werden. Klug gestaltete Kooperationen können hier die Möglichkeiten einzelner Unternehmen deutlich steigern und aus einer Notwendigkeit eine Spielwiese für neue Potenziale machen. Ziel dabei ist es immer, für alle Beteiligten Mehrwert zu schaffen.

Ein Beispiel: Um an der fortschreitenden Digitalisierung erfolgreich teilhaben zu können, definierte ein Spezialverlag zentrale Kernkompetenzen, die er zur Entwicklung digitaler Produkte beisteuern kann (Digital Relevance Index). Auf dieser Basis wurden Kooperationsmöglichkeiten mit Partnern/-innen erarbeitet, deren digitales Know-how die gemeinsame Wertschöpfung und Reichweite vergrößert. Um dies zu konkretisieren, wurden Inhalte, Strukturen und Prozesse für die Gestaltung von gemeinsamen Produkten geschaffen.

Welche Hemmnisse sehen Sie bei Unternehmen, wenn es um Kooperation bei der Realisierung von innovativen Geschäftsmodellen geht?

Das Festhalten an Bestehendem ist nach wie vor in vielen Unternehmen (mehr oder weniger) ausgeprägt. Das ist vor allem in Europa zu beobachten, da die prägende Leitkultur auf dem Erhalt von Bestehendem beruht. In Nordamerika und seit einiger Zeit auch verstärkt in China sind Pioniergeist und Neugier auf die Zukunft wesentlich stärker verankerte kulturelle Faktoren. Das spiegelt sich auch im Willen wider Kooperationen einzugehen. Denn um erfolgreich zu kooperieren, müssen Einstellungen, Strukturen und Prozesse neu gedacht und definiert werden.

Zudem spielt die Angst, eigenes Wissen preiszugeben und zu teilen eine maßgebliche Rolle. Geistiges Eigentum ist einer der zentralen Wettbewerbsvorteile für viele Unternehmen. Vor allem im klein- und mittelständischen Bereich scheuen sich Unternehmen deshalb, Kooperationen einzugehen. Sie befürchten, ihr geistiges Eigentum preisgeben zu müssen und damit ihre Wettbewerbsvorteile zu verlieren. Das ist jedoch nicht der Fall. Eine klug gestaltete Kooperation bedeutet nicht, alles preisgeben zu müssen, sondern einen Weg zu finden, gemeinsam Mehrwert zu erzielen. Und das beinhaltet auch, eigene Kernkompetenzen und eigenes geistiges Eigentum einzubringen aber zu schützen. Hierzu gibt es Vorgehensweisen und Methoden, die dies ermöglichen.

Welche Chancen sehen Sie für Unternehmen, um mit dem Spannungsverhältnis Kooperation und Wettbewerb umzugehen? Wie kann eine Umsetzung in die Praxis aussehen?

Die Chancen sind groß, denn hierfür gibt es einen schon seit geraumer Zeit existierenden Ansatz: „Coopetition“. Dieser Begriff setzt sich aus „Cooperation“ (Kooperation) und „Competition“ (Wettbewerb) zusammen und wurde von John von Neumann geprägt sowie von John Nash weiterentwickelt. Zusammengefasst geht es dabei darum, wie Unternehmen, die eigentlich im Wettbewerb miteinander stehen, in bestimmten Bereichen kooperieren können. Für die Praxis entscheidend ist dabei eine win-win-win-Situation zu erzielen. Das bedeutet, es entstehen sowohl Vorteile für die kooperierenden Unternehmen als auch für Kund/-innen, etwa durch Innovationen oder günstigere Preise (was im Gegensatz dazu bei Kartellabsprachen nicht der Fall ist).

Es gibt hier sehr pragmatische Möglichkeiten, diesen Ansatz anzuwenden. Es muss ein klar eingegrenzter Kooperationsbereich definiert werden, der allen Kooperationspartnern einen Vorteil beschert, eigene Wettbewerbsvorteile dürfen nicht verloren gehen und es muss ein Nutzen für Kund/-innen entstehen. Dazu ist es notwendig die eigenen Kernkompetenzen klar zu definieren und einen gemeinsamen Mehrwert zu schaffen.

Beispiele: gemeinsame Rechenzentren für konkurrierende Banken (in manchen Ländern Praxis), gemeinsame technologische Standards bei allen (konkurrierenden) Mobilfunkanbietern, die ein „digitales Netz“ erst möglich machen. Besonders anschaulich: die Kooperation von eigentlich konkurrierenden lokalen Händlern mit lokaler Kompetenz, die einen gemeinsamen Web-Shop schaffen, um einen digitalen Vertrieb zu ermöglichen. Ein Unternehmen allein hätte nicht die finanziellen Möglichkeiten und würde nicht den notwendigen Vernetzungsgrad erzielen. Nur durch die Kooperation von Wettbewerbern entsteht eine starke und vielfältige Online-Power, die auch den Kunden/-innen nützt.

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