Zeitung und dann? Digitale Transformation in der Medienbranche

Die klassische Zeitung verliert immer mehr Leser. Verleger müssen sich neue Geschäftsmodelle einfallen lassen.

Bildquelle: unsplash Mathew Guay

Die klassische Zeitung verliert immer mehr Leser. Verleger müssen sich neue Geschäftsmodelle einfallen lassen.


1. November 2019 | Von Jan Körber

Wer kennt sie nicht – die klassische Zeitung. Noch vor wenigen Jahren gehörte es für viele von uns zum Alltag, auf dem Weg zur Arbeit in der Bahn oder mittags in der Pause noch schnell einen Blick in die aktuelle Tageszeitung zu werfen, um auf dem neuesten Stand zu sein. Wenn wir uns heute in der Bahn umsehen, finden wir kaum noch eine breit aufgefaltete Zeitung; vielmehr schauen wir auf unsere Smartphones und empfangen die wichtigsten Nachrichten in Echtzeit.

Das veränderte Verhalten der Nutzer/-innen, aber auch moderne Kommunikationsmedien, machen es der klassischen Verlagsbranche daher nicht gerade einfach. Zeitungsverleger/-innen befinden sich stärker als je zuvor auf der Suche nach tragfähigen Produkt- und Wertschöpfungsinnovationen, um auf den tiefgreifenden Wandel der fortschreitenden Digitalisierung eine Antwort zu finden. Schnell wird deutlich, dass die traditionellen Geschäftsmodelle auf Dauer keinen zukunftsfähigen Erfolg garantieren können und verstärkt von einer negativen Entwicklung geprägt sind.

Zeitung weiter unter Druck

Die Printauflage der Zeitungen sinkt rapide und digitale Angebote können diesen Rückgang bislang nicht kompensieren.  Um die Zukunftstauglichkeit des Journalismus zu sichern, experimentieren Zeitungsverleger/-innen mit verschiedenen digitalen Strategien und akquirieren neue Geschäftsmodelle durch Kooperation und Investments in digitale Unternehmen, um im Wettbewerb der Plattformökonomie mithalten zu können. Dabei kommt es vermehrt zu redaktionellen Umstrukturierungen, zu Neuausrichtungen von journalistischen Inhalten sowie der Diversifizierung in neue Geschäftsfeldaktivitäten. Bisher konnten Zeitungsverleger/-innen nur durchschnittlich 6 Prozent des Gesamtumsatzes aus digitalen Geschäftsmodellen generieren (PwC, 2016).

Die Gesamtauflage der verkauften Zeitungen betrug im Jahr 1991 noch 27,3 Millionen Exemplare. Seit dem hatben sich die Auflagen halbiert.

Die Gesamtauflage der verkauften Zeitungen betrug im Jahr 1991 noch 27,3 Millionen Exemplare. Seit dem haben sich die Auflagen halbiert.

Doch wie gelingt klassischen Verlagshäusern die digitale Transformation? Wie können traditionelle Geschäftsmodelle durch innovative, digitale Geschäftsmodellideen neue Erfolgsstrategien ermöglichen?

Mögliche Ansätze für die Ausgestaltung zukunftsfähiger Geschäftsmodelle sind:

  • Neue digitale Produkte
  • Agile Organisationstruktur
  • Diversifizierungsstrategien

Digitale Produkte statt Zeitung

„Mobile first, digital first“ lautet dafür das Motto, nach dem sich Zeitungsverlage ausrichten sollten, um das Nutzererlebnis zu verbessern und den Mehrwert für die Leser/-innen zu steigern. Journalistische Inhalte sollten zunehmen kanalunabhängig an einem „Digital Desk“ produziert und können im Anschluss in Form eines E-Papers Fach-Newsletter oder Podcast veröffentlicht werden. In Abhängigkeit des jeweilig bevorzugten Mediennutzungsverhaltens der Leser/-innen sollten digitale Angebote Individuell auf die Zielgruppe zugeschnitten werden, sodass Inhalte über Smartphones, Tablets, und PCs mittels entsprechend angepasster Formate crossmedial verfügbar gemacht werden. Dadurch kann die Bindung zwischen Nutzer/-innen und Produktportfolio gestärkt werden. Hinzu kommt eine deutliche Erweiterung des Produktportfolios wie beispielsweise beim Tagesspiegel oder auch der Bild Zeitung durch Podcast- und Videoangebote, welche sich an das Mediennutzungsverhalten anpassen und somit den Mehrwert für die Nutzer/-innen steigern. Redaktionell erstellte Inhalte müssen das Potential des jeweiligen Mediums ausnutzten und in innovative Erzählformate gebracht sowie qualitativ hochwertig aufbereitetet werden. Dadurch kann die Zahlungsbereitschaft gesteigert werden damit beispielsweise Paid-Content-Modelle zum Einsatz kommen können, die sich zu einer enorm wichtigen Einnahmequelle entwickeln werden. Für die Erstellung solcher Inhalte bedarf es Organisationsstrukturen, in denen Raum für Kreativität geschaffen und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht wird.

Heute ist Dynamik gefragt

Agile Organisationstruktur ist im Zeitalter der Digitalisierung ein Buzzword, das nicht nur in hippen Start-ups Verwendung findet, sondern auch vermehrt bei traditionellen Verlagshäusern. Der aktuelle Wettbewerb, in dem sich Verlage bewegen, ist von einer unglaublichen Dynamik geprägt. Was heute noch existiert, kann morgen schon veraltet sein. Während beispielsweise die Wohnungs-, Job- und Autosuche im Jahr 2001 noch über das Anzeigengeschäft der Zeitungen abgewickelt wurde, etablierten sich drei Jahre später Plattformen wie „wg-gesucht.de“ und „immobilien-scout24.de“, die das Werbe- und Anzeigengeschäft der Zeitungen drastisch veränderten. Bis heute reagierten regionale Verlagshäuser weitestgehend zögernd auf die massiven Markveränderungen. Daher ist die Entwicklung einer agilen Organisationsstruktur die Voraussetzung, um das Silo-denken einzelner Geschäftsbereiche aufzulösen und interdisziplinare Teams einzuführen, um mit der dynamischen Entwicklung der zunehmend konvergierenden Medienmärkte mithalten zu können. Darüber hinaus ermöglicht Agilität auch eine schnellere Anpassung des Wertschöpfungsprozesses an die digitalen Anforderungen der Medienmärkte. Zudem sollten technische Hilfsmittel (Business Intelligence) vermehrt in den Wertschöpfungsprozess integriert werden, um die Bedürfnisse und Präferenzen der Kunden besser zu verstehen und neue Geschäftsfelder zu akquirieren.

Erweiterung der bisherigen Geschäftstätigkeiten (Diversifizierungsstrategien)

„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert“. Ähnlich verhält es sich auch mit der Entwicklung der traditionellen Verlags-häuser. Denn wer sein Geschäftsmodell über Jahrzehnte hinweg auf Vertriebserlöse und Werbe-erlöse stützte und alles beim Alten lässt, kann auch nicht erwarten, dass sich etwas ändert. Inzwi-schen haben sich einige Verlagshäuser teilweise von journalistischen Kerngeschäft distanziert und ihre Aktivitäten zunehmend ausgeweitet und sich auf verschiedene Erlössäulen gestützt. Als Beispiel lässt sich unteranderem der Tagesspiegel hervorheben, die das traditionelle Werbegeschäft durch ein so genanntes „360 Grad Marketing“ erweitert hat. Aufgrund der langjährigen Beziehungen zu verschiedenen Werbefirmen profitiert der Tagesspiegel von einem großen Vertrauen und Seriosität. Diesbezüglich berät und unterstützt der Tagesspiegel seine Kunden/-innen rund um das Thema Marketing im Print- und Onlinebereich worunter auch Themen wie SEO und Streaming-Werbung fallen. Grundsätzlich sollten Zeitungsverlage ihre Geschäftsfelder auf verschiedene Erlössäulen stützen, sodass zum einen das Produktportfolio differenziert wird und zum anderen durch Kooperationen Diversifikationsstrategien verfolgt werden, um die Zukunftstauglichkeit der Zeitungsverlage zu festigen. „A media company can potentially have up to 12-15 revenue streams without moving away from its core,“ sagt Raju Narisetti, Professor of Professional Practice and director of the Knight-Bagehot Fellowship in Economics and Business Journalism at Columbia University.

Tipps für die Praxis

  • „Mobile first, digital first“- Verlagshäuser sollten ihre Produkte an das bevorzugte Mediennutzungsverhalten der Zielgruppe anpassen und erweitern
  • Eine agile Organisationsstruktur hilft Redaktionen bei der interdisziplinären Zusammenarbeit und erhöht die Reaktionsgeschwindigkeit, um auf Marktveränderungen zu reagiere
  • Die Entwicklung neuer Geschäftsfelder stärkt die Zukunftsfähigkeit durch diverse Erlösquellen

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