Hotel digital: „In Zukunft wird nicht gesucht, sondern geantwortet“

Bald tägliche Realität? Ein Roboter als Hotel-Concierge begrüßt die Gäste.

Das Öffnen der Hotelzimmertür mit dem Smartphone oder die digitale Gästemappe: Die Digitalisierung ist wohl das wichtigste Trend-Thema in der Tourismusbranche. Gut, wenn sich Reiseanbieter darauf eingestellt haben. Hotel digital bedeutet auch, die Kundinnen und Kunden bestens zu informieren. Was bringt beispielsweise eine Person dazu, das jeweilige Hotel zu buchen? Wie sollen Reiseanbieter ihre Gäste bedienen? Was sind die Vorteile der „Kundenreise?“ Valerie Wagner beschreibt zwei entscheidende Phasen bis zur endgültigen Buchung einer Reise oder eines Hotelzimmers. Frau Wagner ist Expertin für digitales Hotelmanagement und Bloggerin. Wir haben sie befragt.

Redaktion: Wie wichtig ist die Digitalisierung für den Tourismus und Hotellerie?

Valerie Wagner: In der Digitalisierung geht es nicht mehr um „entweder oder“, sondern um „sowohl als auch“. Ein Hotel sollte offline und online sichtbar sein. Diese beiden Welten schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich.

Hotels haben großen Nachholbedarf, was den Online-Auftritt angeht. Das beginnt bei den oftmals noch statischen Webseiten, geht über einen katastrophalen Buchungs- bzw. Anfrageprozess und endet in einem schlechten Social-Media-Auftritt. Analog werden Informationen zwar über Flyer, Broschüren, Mailing per Post rausgegeben, aber nicht gepflegt und wenig aktualisiert. Ein Stapel Papier liest sich kein Geschäftsreisender auf dem Hotelzimmer durch. Bei Urlaubsgästen mag das anders sein, aber auch hier, wollen Gäste die Informationen auf ihrem eigenen, meist mobilen Endgerät, konsumieren. Eine Ergänzung zum Papier – das dann weniger werden sollte, schon allein im Sinne der Nachhaltigkeit – ist eine digitale Gästemappe.

Abhängig ist der Grad der Digitalisierung in einem Hotel auch von der Zielgruppe und der Ausrichtung. Dennoch ist sowohl analog als auch digital ein guter Weg, um möglichst viele Gäste und Kunden zu erreichen.

Die Gäste von heute suchen und buchen überwiegend ihre Hotelzimmer online. Dies bedeutet: Wer zuerst gefunden wird, hat gute Karten, oder?

Klar. Auf der Suchmaschine Platz 1, Seite 1 – das sind die Gewinner. Wie heißt es so schön? „Das beste Versteck für eine Leiche: Google Seite 2“. Rund 86 Prozent der Gäste, verlassen sich auf Suchergebnisse auf Seite 1 und suchen nicht weiter.

Hotels sind also gut beraten, wenn sie ihre Webseite für Leser/-innen und Suchmaschinen optimieren. Und zwar genau in dieser Reihenfolge. Google & Co. sind mittlerweile so schlau, dass sie erkennen, ob fürs Ranking oder für Menschen optimiert wurde. Deshalb empfehle ich jedem Hotelier: Setzen Sie auf Content und optimieren Sie Ihre Texte für potenzielle Gäste. Das freut auch die Suchmaschine und spült Ihre Webseite als Ergebnis bei einer entsprechenden Suchanfrage nach oben. Dafür eignen sich gute Zimmerbeschreibungen oder ein Hotelblog.

Valerie Wagner schreibt auf www.valerie-wagner.de über digitales Hotelmanagement. Sie ist diplomierte Betriebsorganisatorin, zertifizierte Revenue- und E-Commerce Managerin und verfügt über 18 Jahre Berufserfahrung in der Hotellerie. Sie sagt: „Die Hotellerie ist eine starke Branche und sie macht Spaß! Sie hat das Potenzial für eine spannende Zukunft im digitalen Zeitalter, ohne dass die Menschlichkeit verloren geht.

Viele haben diesen Begriff schon gehört: „Customer Journey“. Was ist das eigentlich?

Wörtlich übersetzt „Kundenreise“. Die Customer Journey ist ein Begriff aus dem Marketing. Es definiert die einzelnen Berührungspunkte eines potenziellen Käufers, bevor er ein Produkt kauft. Also von der ersten Information bis zur Kaufentscheidung.

Wieso ist die „Customer Journey“ so wichtig für den Tourismus?

Laut einer Studie von Think with Google – dem Blog von Google – hat ein Reisender über 700 Touchpoints (Berührungspunkte), bevor er eine Reise bucht. Wie viele Touchpoints bedienen Hotels? Es reicht heutzutage nicht mehr, einfach nur eine Webseite zu haben.

Gäste suchen überall nach Informationen. Wie schon erwähnt, beginnen sie im Netz und nutzen dafür Suchmaschinen. Aber auch Social-Media-Kanäle, Empfehlungen von Bloggern oder Influencern, Empfehlungen von Freundinnen und Freunden oder auch das Lesen von Bewertungen auf Portalen wie Tripadvisor & Co. gehören zur Recherche bevor eine Reise gebucht wird. Bei Geschäftsreisen sieht das ein wenig anders aus, kann aber durchaus verkürzt angewendet werden.

Welche Phasen durchlaufen Hotelgäste bis zur endgültigen Buchung?

In meiner Artikelserie über digitale Kaufentscheidungen beschreibe ich zwei Phasen bis zur endgültigen Buchung: Inspiration und Suche.

Die großen Urlaubsreisen und auch längere Geschäftsreisen werden meist Anfang des Jahres gebucht. Dabei geht es, wie gesagt, um Urlaubsreisen und individuelle Geschäftsreisen. Konzerne buchen meistens über Agenturen oder Partner, weil sie aufgrund von Reiserichtlinien dazu verpflichtet sind.

Inspiration können sich potenzielle Gäste über Social Media holen. Instagram, als visuelles soziales Netzwerk, eignet sich dafür besonders gut. Die Bildersuchmaschine Pinterest wird von Hotels leider noch nicht als Verkaufskanal wahrgenommen, bringt aber langfristig Traffic auf die Webseite. Die konkrete Suche findet überwiegend über Suchmaschinen statt. Dabei sollten Hotels die Bildersuche bei Google nicht vernachlässigen. Ein guter, das heißt vollständiger, Google My Business Auftritt hilft zusätzlich im Netz sichtbar zu werden bzw. zu sein.

Weitere Phasen sind: Buchung und Bezahlung. Hotels müssen eine gute, funktionierende und nutzerfreundliche Buchungsmaschine haben. Die Buchung muss einfach und schnell ablaufen. Hotels sollten sich dafür am Kaufprozess von Amazon & Co. orientieren. Ein Best-Practice-Beispiel aus der Hotellerie ist die Benutzerfreundlichkeit bei Buchungen auf der Webseite von Motel One. Danach folgen die Phasen: Anreise, Aufenthalt, Erlebnis, Abreise, Wiederbuchen. Innerhalb dieser Touchpoints gibt es unzählige weitere Berührungspunkte. Vielleicht nimmt der potenzielle Gast Kontakt über Social Media auf oder abonniert den Newsletter.

Buchung, Anreise, Aufenthalt, Bezahlung: Was ist mit älteren Menschen? Überfordert Digitalisierung möglicherweise manche Gäste auch?

Wie digital ein Hotel ist oder wird, hängt natürlich immer mit der Zielgruppe zusammen. Hat ein Hotel überwiegend ältere Gäste, ist eine digitale Gästemappe vielleicht nicht passend. Senioren legen vielleicht mehr Wert auf Informationen auf Papier oder im persönlichen Gespräch an der Rezeption.

Allerdings sollte man Senioren nicht unterschätzen. Denn laut einer Studie, über die der Deutschlandfunk berichtete, fehlen für Rentnerinnen und Rentner und Senioren digitale Angebote. Sie wollen nicht abgehängt werden, sondern sind sehr interessiert. Doch leider gibt es zu wenig digitale Angebote.

Wenn wir über das Alter der Zielgruppe sprechen, dann müssen wir auch über Barrierefreiheit sprechen. Das betrifft nicht nur das Hoteldesign, sondern auch: Wie barrierefrei ist die Hotel-Webseite? Für Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit ist es wichtig, dass ihre Screenreader, auch Bilder vorlesen. Deshalb müssen Bilder immer beschriftet sein und dürfen nicht mit Titel „Image_01“ hochgeladen werden.

  • Ein Screenreader wandelt Inhalte des Bildschirms in Sprache um. Es handelt sich um eine Software für blinde Menschen oder Menschen mit Sehschwierigkeiten.

Ein anderes Beispiel ist „Voice Search“. Das ist nicht nur hipp und topaktuell, sondern hilft ebenfalls bei der Barrierefreiheit. Suchergebnisse werden von Sprachassistenten vorgelesen und können damit Menschen mit Einschränkungen zugänglich gemacht werden.

  • Voice Search (deutsch: „Sprachsuche“) ist die Suche per Stimme über einen virtuellen Sprachassistenten. Die Suchanfrage wird über die Stimme an Voice Search weitergegeben. Der virtuelle Sprachassistent analysiert die Suchanfrage und liefert Suchergebnisse. Beispiele sind der Google Assistent oder Alexa.

Wo findet in Hotels noch Digitalisierung statt?

Erst neulich habe ich einen Blick in die Zukunft gewagt. Dabei bin ich auf das Zimmer der Zukunft eines Software-Anbieters gestoßen. Im Jahr 2030 wird es das intelligente Hotelzimmer geben. Die Wassertemperatur zum Duschen wird automatisch und über Sensoren an den Armaturen eingestellt. Die Kaffeemaschine weiß, wie stark der Kaffee sein soll – vorher wird der Blutdruck gemessen. Sensoren beleuchten automatisch den nächtlichen Gang zur Toilette, Jalousien reagieren auf Sprache und werden intelligent gesteuert. Es gibt einiges, das noch digitalisiert werden kann. Ob wir das wirklich schon bis 2030 erleben oder ob es doch etwas länger dauert, bleibt abzuwarten.

Der Mensch steht auch in der Digitalisierung im Mittelpunkt.

Wie wichtig ist Social Media in der Customer Journey?

Definitiv ist Social Media ein wichtiger Touchpoint in der Kundenreise. Neben der Inspiration, wie oben schon erwähnt, geht es im Social Media Marketing um Image, Sichtbarkeit und vor allem Reputation.

Verkauf findet – entgegen der „Experten-Meinungen“ – nicht auf Social Media statt. Zumindest dann nicht, wenn man auf Anzeigen und Werbung verzichtet.

Ich bin Verfechterin der organischen Sichtbarkeit auf Social Media. Das bedeutet, Hotels sollten ohne Anzeigenschaltung auskommen und sich eine echte, authentische Community aufbauen. Das bedeutet nämlich das kleine Wort „social“ vor der Media. Schnell und hektisch reich werden und zahlreiche Zimmer über Facebook, Instagram oder Twitter zu verkaufen, funktioniert nicht. Auf sozialen Netzwerken wollen sich Menschen austauschen. Interaktion, Engagement und Kommentare – das sind Dinge, die erreicht werden sollten. Wichtig dabei: Auf Kommentare antworten, auch auf die kritischen.

Hoteliers können über soziale Netzwerke nah an ihre Zielgruppe herankommen. Wenn sie dort aktiv zuhören, können sie einen großen Schatz an Feedback bergen, ihr Angebot verbessern und Gäste begeistern.

In Sachen Kommunikation auf Social Media sollten sich Hotels professionellen Rat holen. Ich beobachte oft, dass sich Hotelmanager nicht korrekt verhalten und dabei wird sichtbar, dass viele Social Media immer noch nicht ernst nehmen. Doch auf sozialen Netzwerken gilt: sowohl als auch! Menschen trennen nicht mehr zwischen digitaler und analoger Kommunikation.

Welche sozialen Medien sollten zum Beispiel Hoteliers nutzen?

Gegenfrage: Wer ist die Zielgruppe? In welchem Alter? Und welche Art von Hotel ist es? Freizeit – und Urlaubsreisende findet man nach wie vor auf Facebook. Aber auch auf Instagram. Die jüngere Generation erobert gerade TikTok. Geschäftsreisende tummeln sich auf LinkedIn oder Xing. Ich halte aber auch Twitter für einen guten Kanal.

Hoteliers müssen sich immer vor Augen halten: es sind soziale Netzwerke, sie sprechen dort mit Menschen. Bauen Sie eine Community auf, stärken Sie Ihre Marke und sprechen Sie auf Social Media so, wie Sie mit dem Gast an der Rezeption sprechen.

Letzte Frage: Wie werden wir im Jahr 2030 nach Hotels oder Reisezielen suchen?

In einer perfekten Welt mit Elektroautos und/oder autonomen Fahrzeugen und dank künstlicher Intelligenz, wird nicht mehr gesucht, sondern nur noch geantwortet. Soll heißen: Hotels sollten sich bis dahin mit Kartendiensten und Software in Fahrzeugen (oder Fluggeräten) beschäftigen, um sichtbarer zu werden.

Frau Wagner, vielen Dank für das Interview.

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