Kaufhaus zu? Kauf zu Haus!

Teleshopping? Ist das nicht voll out? Nein, sagen Harry Hegenbarth und Team.

Harry Hegenbarth ist Inhaber von Showmaker, einer Agentur im südhessischen Bensheim an der Bergstraße. Als Ideengenerator plant er gemeinsam mit seinem achtköpfigen Team Kampagnen, Events und Aktionen. Wie viele Geschäftsführer musste auch er sein kleines Unternehmen aufgrund der Corona-Pandemie ins Homeoffice verlagern, was gerade im kreativen Bereich sehr herausfordernd ist. Dennoch gelingt es ihm, weiter zu planen und frische Gedanken zu spinnen. Dabei greifen viele Aktionen derzeit besonders kleinen und mittleren Unternehmen vor Ort unter die Arme, indem digitale Wege und Kanäle genutzt werden. Eine von Hegenbarths neusten Formatideen, um regionale Shopping-Erlebnisse zu ermöglichen: die Wiederbelebung des Teleshoppings mit dem Titel „Kauf zu Haus“.

Harry Hegenbarth, Inhaber der Agentur Showmaker: „Immer optimistisch bleiben und zusammenhalten!“

Herr Hegenbarth, der Einzelhandel steht vor großen Herausforderungen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, das Teleshopping und auf regionale Füße zu stellen?

Da wir in Bensheim leben, arbeiten und verwurzelt sind, kennen wir viele Einzelhändler/-innen persönlich. Wir kennen deshalb auch die Not vieler KMU vor Ort, die durch den zweiten Lockdown noch mal verstärkt wurde. Wenn so ein Weihnachtsgeschäft weitgehend wegfällt, ist das gerade für den Einzelhandel bitter. Gemeinsam mit Händlerinnen und Händlern haben wir neue Ansätze gesucht, um Produkte weiterhin zu vertreiben. Zum Beispiel durch Bestellungen und Abholgelegenheiten bis hin zu Lieferungen. Uns war klar: Wir müssen die Möglichkeiten ordentlich vermarkten und am besten lustig. In der Show „Kauf zu Haus“ nehmen wir uns auch selbst ein bisschen aufs Korn. Uralte Shopping-Formate sind per Livestream gemischt mit „Hot-Button-Parodie“ auf die Spielshows der 90er Jahre. Witzig ist auch: Wir selbst kannten die Produkte nicht, die wir anpreisen sollten. Daraus entstand eine lustige Show. Insgesamt zwei Mal gab es sie jetzt: einmal vor Weihnachten und einmal danach im Januar.

Der Videobeitrag des Hessischen Rundfunks blickt hinter die Kulissen.

Wie viel Aufwand steckt dahinter. Kann man sowas „nachmachen“?

Ja, natürlich. Es gibt auch schon welche, die das tun. Zum Beispiel andere Kaufhäuser. Der Aufwand kann unterschiedlich hoch sein, je nach eigenem Anspruchsdenken. Uns war es wichtig, dass wir etwas Professionelles machen. Daher haben wir uns viel Mühe gegeben, was die technische Umsetzung angeht. Also mit mehreren Kamera-Perspektiven, sauberem Ton und allem, was dazu gehört. Denn nichts ist schlimmer, als wenn der Stream ruckelt oder die Lippen nicht synchron sind. Außerdem hatten wir passende Einspieler eingebaut. Da hat sich zum Beispiel oben im Bild der angezeigte Preis verändert. Deshalb hingen an unserer Umsetzung schon viele Leute dran.

Was raten Sie kleinen und mittleren Unternehmen in der Krise?

Sich neu zu erfinden. Ich kann mir vorstellen, dass es für KMU nicht immer leicht ist, schnell zu reagieren und von heute auf morgen die perfekte Lösung zu haben. Die Digitalisierung ist aber definitiv eine große Chance. Besonders für Händler/-innen ist es wichtig, sich vernünftig mit einem Webshop zu präsentieren. Dies erhöht unter anderem die Sichtbarkeit im Netz. Im Klartext: es ist wichtig, die Digitalisierung im Unternehmen voranzutreiben und Projekte neu zu denken. So lag ja auch unsere Teleshopping-Idee nicht gerade auf der Hand. Aber doch hat es funktioniert und Aufmerksamkeit generiert. Und natürlich kann ich nur jedem raten, sich ständig zu vernetzen, um sich gegenseitig zu unterstützen.

Am Set: Harry Hegenbarth moderiert gemeinsam mit Felix Gaudo die Show „Kauf zu Haus“ in einem Bensheimer Kaufhaus.

Haben Sie Tipps, wie Sie auf Ihre kreativen Aktionen kommen?

Ich selbst lese viel, zum Beispiel in Magazinen und Social Media. Dort schaue ich mir Ideen anderer an und analysiere die Reaktionen. Dann überlege ich, was zu mir oder meinem Team passen könnte. Ideen sind überall: Ob sich ein Autohaus mit Videos vorstellt oder eine kleine Boutique eine Modenschau streamt. Das sind zwar im ersten Moment nicht meine Wettbewerber, aber Ideen lassen sich ja übertragen. Ansonsten kommen meine Ideen auch häufig im Gespräch mit Freunden auf. Im Moment laufen diese zwar eher digital oder telefonisch ab, aber trotzdem kommt etwas dabei herum. Wenn ich nicht weiter weiß, gehe ich auch mal fünf Schritte von meiner Blockade weg, am besten an die frische Luft. „Los schnell, schnell, wo ist die Idee?“ Das funktioniert einfach nicht. Deshalb mein Rat: Schritt zurück, Gutes abgucken und auch auf Bekannte oder Verwandte hören oder sich austauschen und Unterstützung von Agenturen suchen.

Welche (Social-Media)-Strategie verfolgen Sie?

Also ganz allgemein gilt: Man muss echt sein. Wenn Sie etwas vorspielen, merken das die Leute. Und man muss nah an den Menschen sein und natürlich kommt es auf den richtigen Kanal an. Ich muss mich vorher fragen: Wen will ich zum Beispiel bei Facebook erreichen? Da sind ja schon weniger die jüngeren Menschen unterwegs. Die sind eher auf Instagram und Tiktok – demnächst vielleicht auf clubhouse. Ich muss wissen: Wen will ich erreichen? Man muss außerdem ein Ziel haben und einen Plan wie man dorthin kommt. Möchte ich mehr Produkte verkaufen, mehr Follower generieren oder etwas ganz anderes?

Wie geht es mit dem Format und anderen Ideen weiter?

Wir wollen unsere Show weiterdenken und ausbauen. Zum Beispiel in Richtung „Koch zu Haus“. Die Leute könnten dann zu Hause mitkochen und wir nutzen parallel die Utensilien im Kaufhaus: Pfannen, Töpfe und was man sonst so braucht. Das wäre eine Idee. Auf jeden Fall setzen wir weiterhin Signale für den Einzelhandel, wie man sich trotz Krise online präsentieren kann. Wir möchten amüsante Dinge entwickeln und andere zum Schmunzeln bringen, weil wir darin gerade jetzt für alle einen wichtigen Mehrwert sehen.

Ansonsten könnten wir auch Ideen aus dem letzten Jahr wiederholen. Da haben wir zusammen mit unseren Partnern zum Beispiel das Bensheimer Winzerfest digital gestreamt. Das hatte sich der Weinverband sowie der Verkehrsverein gewünscht. Es gab dafür einen neuntägigen Livestream, jeden Abend eine Stunde, mit Weinproben und abwechslungsreichem Programm. Die Leute konnten damals Wein nach Hause geliefert bekommen, live während der Show. Und ich war als rasender Reporter unterwegs und habe Musikgruppen interviewt, die auf Wagen durch die Stadt fuhren. Besonders viel Spaß gemacht hat auch das Ersetzen der nicht vorhandenen Fahrgeschäfte: Wir haben improvisiert und unseren kleinen Stadtbach kurzerhand zur Wildwasserbahn gemacht und es gab „Dosenwerfen“ im Supermarkt.

Außerdem fiel auch unser beliebtes Festival „MaiWay“ nicht aus. Wir haben es umbenannt in „HeimWay“. An 60 geheimen Orten der Stadt haben wir 12 Bands auftreten lassen. Alles war coronakonform, da niemand wusste, wo die Bands spielten. Man konnte sich also nicht bewusst versammeln. Das hat in der Stadt allen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert, als plötzlich unerwartet eine Band vor der Tür stand.

Auch an Halloween gab es eine Alternative: Die Kinder durften ja keine Süßigkeiten sammeln. Deshalb hat uns ein lokaler Lebensmittelhändler Naschereien gespendet. Familien konnten sich für die Aktion bewerben, damit unser Auto mit Nebeleffekten zu den Kindern fuhr. So bekamen die Kids ihre Tüten 2020 geliefert. Mein Fazit: Wenn etwas nicht geht, kann man es immer irgendwie anders machen.

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