Mit einem nachhaltigen, digitalisierten Geschäftsmodell durch die Corona-Krise – YourLocal aus Magdeburg

Stefan Voigt und David Zibold vor einem Weinregal.

Bildquelle: Kompetenzzentrum Magdeburg

Stefan Voigt, stellvertretender Leiter des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg, im Gespräch mit Wein:Sein-Gründer und Sommelier David Zibold.


26. November 2020 | Von Stefan Voigt

In jeder Krise steckt auch eine Chance. Diese Chance hat ein Netzwerk um das Magdeburger Unternehmen Wein:Sein genutzt und eine neue lokale Handelsplattform ins Leben gerufen – die Idee eines regionalen Online-Marktplatzes war geboren. Dabei wurde das Unternehmen durch das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg unterstützt.

Das Unternehmen Wein:Sein hat mehrere Standbeine. Zum einen wird der Privatkundenbereich als klassisches Wein- und Spirituosenfachgeschäft bedient, zum anderen werden gastronomische Events – bspw. im Popup-Format – organisiert. Die Geschäftskunden des Wein- und Spirituosen-Großhandels sind primär Restaurants und Gaststätten. In der Zusammenarbeit mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg wurden die operativen Prozesse professionalisiert, die Aktivitäten im Geschäftskundenbereich verstärkt und der Sprung vom regionalen zum nationalen Anbieter vollzogen. Insbesondere für die letztgenannten Ziele war die Entwicklung und Implementierung neuer, digital-gestützter Geschäftsmodelle erforderlich. Hierbei unterstützte das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg vor allem methodisch durch die Moderation unterschiedlicher Workshops im Jahr 2019.

Zunächst wurde das bestehende Geschäftsmodell aufgenommen und das Unternehmensumfeld analysiert. Im zweiten Schritt folgte eine Kunden-Typologisierung, die mit konkreten Personas untermauert wurde. Auf dieser Basis wurden mittels der Value Proposition Canvas mögliche Wertangebote für die Kundentypen abgeleitet. Die erarbeiteten möglichen Wertangebote wurden mit realen Kundenvertretern evaluiert und bewertet. Anschließend wurden verschiedene Geschäftsmodellszenarien entwickelt. Aufgrund der guten Kooperation des Unternehmens mit einigen anderen lokalen Anbietern (bspw. Bäckerei, Brauerei, Getränkefeinkostladen oder Kaffeerösterei) entstand auch ein Szenario für einen kooperativen lokalen Marktplatz für Einzelhändler. Hier geht es zum Projekt-Tagebuch.

Und dann kam Corona

Aufgrund der rasanten Verbreitung des Corona-Virus in allen Bundesländern erfolgte am 16. März der Beschluss von Leitlinien zur Beschränkung sozialer Kontakte durch die Bundesregierung. Daraufhin mussten alle Verkaufsstellen des Einzelhandels, die nicht unmittelbar der Lebensmittelversorgung, der Mobilität oder der Gesundheit der Bevölkerung dienen, schließen. Trotz der bereits angelaufenen Unterstützungsangebote (Kredite, Soforthilfen, Kurzarbeitergeld) des Bundes und der Länder, resultieren insbesondere für die betroffenen Klein- und Kleinstunternehmen des Einzelhandels und der Gastronomie drastische Folgen. Für viele Unternehmen ist das Kontaktverbot gleichbedeutend mit dem Verlust ihres einzigen Verkaufskanals.

Lokal und vernetzt: eine wirklich hilfreiche Idee aus Magdeburg.

Vor diesem Hintergrund entschloss sich das Team von Wein:Sein die Idee des regionalen Online-Marktplatzes sofort und ohne Prototypenphase umzusetzen. Gemeinsam mit der Marmalade Group und zahlreichen ehrenamtlichen Unterstützern wurde die Initiative »YourLocal Magdeburg« ins Leben gerufen. Die seit dem 23. März verfügbare Online-Plattform besitzt im Kern zwei Zielgruppen: den lokalen bzw. regionalen Einzelhandel inklusive Restaurants auf der einen und Konsumentinnen bzw. Konsumenten auf der anderen Seite.

Unternehmen des Einzelhandels erhalten unter dem Motto „Wir machen die Geschäfte wieder auf – online!“ die Möglichkeit ihre Waren auch ohne eigenen Onlineshop im Internet anzubieten, neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen und bestehende Kundenbeziehungen über einen neuen Kanal zu pflegen. Davon profitieren insbesondere Unternehmen, die aufgrund der Kontaktbeschränkungen keine Kundinnen und Kunden in ihren Läden empfangen dürfen und Unternehmen, die bisher keine Aktivitäten hinsichtlich Online-Marketing bzw. -Vertrieb unternommen haben. Die Konsumentinnen und Konsumenten erhalten wiederum die Möglichkeit, kurzfristig auf lokal verfügbare und zum Teil auch regional hergestellte Produkte zugreifen zu können. Erklärtes Ziel von YourLocal ist es, den Menschen wieder „…ein Stück Normalität zurückgeben – vom Einkauf im Lieblingsladen bis zum Essen beim Stammlokal“.

Die Kommunikation aller Beteiligten fördern

Ziel der Plattform ist es nicht „nur“ den Händlern und Restaurants in Zeiten von Kontaktsperren und Ausgangseinschränkungen einen Kanal und damit einen Kontaktpunkt zu ihren Kunden/-innen zu bieten, um damit die Kundenbeziehungen weiterhin pflegen zu können. Vielmehr soll über die Plattform die Kommunikation aller Beteiligten – insbesondere auch zwischen den Anbietern – gefördert werden. Ziel ist es, einen solidarischen Wirtschaftsraum zu schaffen, der von gegenseitiger Wertschätzung und Kooperation geprägt ist. Operationalisiert wird dieses Ziel u.a. durch die Bildung anbieterübergreifender Leistungsangebote, durch die kollaborative Nutzung von Ressourcen und durch die Empfehlung von Komplementärprodukten anderer Anbieter.

Ein weiteres Ziel besteht darin, die Beteiligung und Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger bezogenen auf die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt durch die Berücksichtigung entsprechender „Partizipationsschnittstellen“ zu fördern. Bereits jetzt unterstützen viele Ehrenamtliche bei der Gestaltung der Plattform, bei der Aufbereitung der Produkte für die Online-Vermarktung oder bei dem Betrieb der Social-Media-Kanäle. Insofern kann der YourLocal-Magdeburg-Ansatz als partizipative Local-Commerce-Lösung angesehen werden, die das Potenzial für eine soziale Innovation besitzt.

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