Graf-Dichtungen digitalisiert die Kommunikation

Messenger

Bildquelle: Pixabay


9. November 2018 | Von Anette Nickels /red

Catrin Graf hat den Kundenservice ihres Unternehmens Graf-Dichtungen GmbH mit Sitz in München und zwei Filialen in Berlin mittels digitaler Kommunikation verändert. Die Ideen dazu waren einfach und genial zugleich: Sie bauen auf die Verknüpfung des Standardmessengers WhatsApp mit dem Online-Shop. Die Kundschaft nimmt die Angebote dankend an – und die digitale Kommunikation ist noch nicht abgeschlossen.

 „Ich bin internetaffin, ich mag neue Technik,“ sagt die Unternehmenschefin. Sie hat einiges ausprobiert und lässt uns an ihren Erfahrungen teilhaben. „Mit dem Start unseres Onlineshops mussten wir alle bisherigen Geschäftsprozesse überdenken, vereinheitlichen und digitalisieren“, so Graf zu ihrem Start in den E-Commerce.

Angefangen hat sie mit einer professionell begleiteten Ausschreibung für den Onlineshop, um die geeignete Agentur zu finden. Ein Mitarbeiter wurde unterstützt, sich mit einer IT-Firma selbstständig zu machen. Diese führt inzwischen Sonderprogrammierungen für die Graf Dichtungen GmbH durch. Außerdem begleitet eine Unternehmensberaterin jährlich stattfindende Strategieworkshops. Sie unterstützt das Unternehmen auch dabei, „New Work, Change-Prozesse und eine moderne Organisationsentwicklung zu leben“, erzählt die Unternehmerin.

Ausgangslage

Catrin Graf ist die Geschäftsführerin der Graf Dichtungen GmbH mit Sitz in München-Freiham. Die Tochter der Firmengründer vertreibt und produziert nach Kundenwunsch Fenster-, Tür-, Kühlschrank-, Dusch- und Sonderdichtungen mit 30 Mitarbeiter/-innen in inzwischen drei Filialen: neben dem Stammsitz in München in Berlin-Kreuzberg und Berlin-Reinickendorf. Das Sortiment wächst stetig, viele Dichtungen sind auf Lager und kurzfristig verfügbar.


Herausforderungen

  • Kundschaft in dem komplizierten Dschungel aus Dichtungsprofilen Orientierung geben.
  • Personen zum richtigen Produkt führen.
  • Bei komplizierten Wünschen den Wissensaustausch unter den Kundenberatern ermöglichen.
  • Den Aufwand in der Onlinekommunikation ökonomisch halten.
  • Verfügbarkeit in vier verschiedenen Lagerorten mit unterschiedlichen Dichtungen online live darstellen 

Lösung 1: Online-Shop

Bereits die erste Maßnahme brachte einen großen Erfolg: „Im Jahr 2005, als ich den Online-Shop eingeführt habe, steigerte sich unser Umsatz um 35 Prozent“, berichtet Graf. Sie sieht den Shop hauptsächlich als Geschäftsanbahnungsinstrument. „Wir haben unseren Sitz in München recht versteckt am Rande eines Gewerbegebietes. Dass uns eine Kundin aus Offenbach ein Muster schickt und nach einem entsprechenden Ersatz fragt, haben wir unserer starken Präsenz im Netz zu verdanken.“ Trotzdem sei es wichtig, über die drei Filialen auch stationär vertreten zu sein.

Dichtungsfragen sind oft kompliziert: Wie viele Nuten, Hohlkammern, welches Material, bei Absenkdichtungen, DIN rechts oder DIN links? Zur Lösung dieser Frage hat Catrin Graf gleich mehrere Wege in Angriff genommen. „Durch unsere Digitalisierung wurden Prozesse stark optimiert und vor allem automatisiert“, sagt Catrin Graf.

Lösung 2: Kundenkommunikation per WhatsApp

Dichtungsprofil fotografieren, per WhatsApp an die Filiale schicken. Für Kunden/-innen ist das einfach. Zurück kommt im besten Fall direkt ein Link zum richtigen Produkt im Online-Shop. Die Kunden/-innen müssen sich also nicht mehr selbst durch den Online-Shop klicken. Sondern sie erhalten dort, wo sie sowieso privat kommunizieren, den Service von Graf Dichtungen. „Manche Bilder sind sicherlich nicht direkt für uns brauchbar, aber wir bekommen dann schon eine Idee, worum es gehen könnte. Bei Duschdichtungen erkennen wir das Profil, bei Fenster- und Türdichtungen benötigen wir vor allem immer den Querschnitt.“

Catrin Graf setzt hier mit ihrem Team auf „Convenience Marketing“ (Robert F. Lauterborn, 1991). Konsumenten sind heute weder lokal noch zeitlich beschränkt, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Diesen Maßstab setzen Kunden/-innen auch, um Produkte und Dienstleistungen auf dem bequemsten Weg zu finden und zu kaufen. „Die Resonanz ist positiv“, so Graf.

„Mobile First“

Zudem berücksichtigt sie mit dieser Art der Kommunikation die Entwicklung hin zu „Mobile First“. Dieser Denkansatz stammt aus dem Webdesign. Die Darstellung auf mobilen Endgeräten soll demnach die höchste Priorität bei der Webentwicklung haben. Auch Google setzt voll auf diese Strategie: die mobile Auffindbarkeit und die Ladezeiten einer mobilen Website (also der mobile Suchindex) sind seit kurzer Zeit Ausgangspunkte der Google-Suche; nur noch in zweiter Linie schaut die Suchmaschine, ob es auch eine Desktopversion gibt. „Schon länger werden über 50 Prozent der Suchanfragen bei Google über Mobilgeräte getätigt. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen“, schreibt Hanns Kronenberg im Blog sistrix.de

Ein wichtiges Anliegen von Catrin Graf ist es, die Mitarbeiter/-innen in einem solchen neuen Prozess mitzunehmen und weiterzubilden. „Die Mitarbeiter/-innen müssen begreifen, dass da nichts liegenbleiben darf. Im Messenger erwarten Kunden/-innen schnelle Rückmeldung.“ Mehrere Mitarbeiter/-innen bearbeiten zu den Geschäftszeiten – montags bis freitags von 7 bis 17 Uhr und samstags von 9 bis 13 Uhr – die Anfragen über den populären Messenger-Dienst.

Kundendienst mit Handys

Jede Filiale hat ihr eigenes Handy, auf dem die WhatsApp-Nachrichten eingehen. Ob der WhatsApp-Service die Konversionsrate positiv beeinflusst, das heißt, ob die Interessenten zu zahlenden Kunden/-innen werden, ist für das Unternehmen schwer nachvollziehbar. Denn die meisten Kunden/-innen schreiben über den Messenger unter ihrem Vor- oder einem Spitznamen. „Dort ist übrigens auch die Sprache dem Medium entsprechend locker, schnell und unkompliziert“, sagt Catrin Graf. Man stelle sich auf Kunden/-innen ein: Auf die Frage: „Hey, habt ihr die Dichtung xy?“ antworte man auch mal „Ja klar“ mit dem Verweis auf Link xy.

Der Datenschutzbeauftragte im Unternehmen billigt die Kommunikation über WhatsApp, weil die Kundin ja aktiv mit der Anfrage auf das Unternehmen zukommt. Die Daten werden nicht gespeichert und keine Werbung über den Messenger versandt.

Lösung 3: WhatsApp-Kommunikation intern

In die Filiale kommt eine Kundin mit einer Dichtung aus den 70er-Jahren. Wie lässt sich diese mit einem heute verfügbaren Profil ersetzen? Eine Mitarbeiterin, die in der Graf-Filiale in Berlin mit einer solchen Spezialfrage konfrontiert wird, fotografiert die Dichtung, tippt die Eckdaten in eine WhatsApp-Nachricht und schickt das Ganze in die „Graf Group“. Schnell erhält sie die Lösung von ihrer Filial-Kollegin aus München.

So unkompliziert funktioniert der Wissensaustausch zwischen den 30 Kollegen/-innen in den Filialen an beiden Enden der Republik. „Eine/r weiß immer eine Antwort“, sagt die Geschäftsführerin. Die Idee zu der Gruppe stammt auch von einem Kollegen, und sie hat sich schon dutzendfach ausgezahlt.

Lösung 4: YouTube-Kanal mit Experteninfos

„DIN-Richtungen bei Türen bestimmen“, „Kühlschrankdichtung mit Schraubprofil austauschen“, „Gehrungszange für Türdichtungen und Fensterdichtungen“ lauten drei Video-Titel von 25, die auf dem YouTube-Kanal der Graf Dichtungen GmbH derzeit zu sehen sind. Seit 2009 nutzen sie den Kanal.

Die kurzen Erklär-Filme produzieren Werkstudenten/-innen von der Filmhochschule. Kurz und knapp wird dort meist ein Problem gelöst. Der beliebteste Film erklärt den Einbau von Absenkdichtungen. „Gerne verschickt unser Kundenservice bei Fachfragen den Link zu den Filmen per Mail“, sagt Catrin Graf. Somit schafft das Unternehmen, einerseits mit den Filmen einen Expertenstatus und andererseits Reichweite zu generieren. Die Videoplattform YouTube gilt heute nach Google als die zweitgrößte Suchmaschine der Welt. Andererseits hilft man Kunden/-innen ganz konkret beispielsweise beim Einbau der Dichtung.

Keine Lösung 5: Twitter und Facebook

„Wir haben ein schwieriges Produkt für Facebook und andere Social-Media-Kanäle“, sagt Frau Graf. „Niemand lobt Sie beispielsweise auf Facebook dafür, dass Sie eine Dichtung ausgewechselt haben. Wir verkaufen ein Alltagsprodukt, das man eher mit lästiger Arbeit verbindet als mit Ruhm“, so Graf, „mit Dichtungen gewinnen Sie keine Fans und unsere Produkte sind nicht schulhoftauglich“. Somit pflegt das Unternehmen seinen Twitter-Account gar nicht mehr und Facebook mit überschaubarem Aufwand.

Lösung der Zukunft? Chatbots

Die Unternehmerin Catrin Graf ist inzwischen wieder fündig geworden auf der Suche nach neuen digitalen Werkzeugen der Kommunikation: Das Thema Chatbots treibt sie um. Dabei handelt es sich um textbasierte Dialogsysteme, die Standardfragen in Messengern wie WhatsApp automatisiert beantworten können. Chatbot-Systeme können auf immer umfangreichere Datenbestände zugreifen und daher auch intelligente Dialoge für die Kundschaft bieten.

„Aber auf das Fachwissen und die Fachleute in unserem Hause wollen wir auch in Zukunft nicht verzichten. Denn man soll bei uns weiterhin individuell beraten werden“, sagt Catrin Graf.

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