Zusammenarbeit zwischen Start-ups und KMU: Einblicke in die Praxis

Start-ups und KMU entwickeln gemeinsam innovative Lösungen.

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16. Juni 2021 | Von Svenja Dittmann

Kerstin Fiedler ist Managerin für Digitale Innovation & Technologie bei der META Regalbau GmbH und Consultant im Bereich Intralogistik. Mit META AND YOU hat das Produktionsunternehmen in Dortmund eine Digitaleinheit gegründet, die Technologietrends aufspürt und Chancen der Digitalisierung aktiv nutzt. In diesem Rahmen stellt die Zusammenarbeit mit innovativen Start-ups eine der Strategien von META AND YOU dar. Im Interview gibt Kerstin Fiedler einen Einblick, wie META als mittelständisches Unternehmen durch die Kooperation mit Start-ups der digitalen Transformation begegnet und berichtet von ihren Erfahrungen.  

Bildliche Darstellung Kerstin Fiedler, Managerin für Digitale Innovation & Technologie bei der META Regalbau GmbH
Kerstin Fiedler, Managerin für Digitale Innovation & Technologie (META Regalbau GmbH)

Frau Fiedler, erzählen Sie uns bitte etwas zum Hintergrund Ihrer Aktivitäten bei  META AND YOU ?

Wir sind ein klassisches Produktionsunternehmen und stellen Lagersysteme her. Dass was wir machen, können wir ziemlich gut. Doch wir mussten feststellen, dass es auf Dauer nicht ausreicht. So haben wir beschlossen, dass wir uns breiter aufstellen und die Möglichkeiten der Digitalisierung, von Innovationen und von anderen Unternehmen nutzen. Im Zuge dessen haben wir im Digital Hub Logisitcs in Dortmund eine digitale Einheit gegründet. Dabei beschäftigen wir uns mit Themen, die  erstmal gar nichts mit dem Tagesgeschäft von META zu tun haben. Mit mir wurde eine Mitarbeiterin zur Seite gestellt, die einzig darauf bedacht ist, Themen aufzuspüren und Ideen für das Unternehmen aufzugreifen und nutzbar zu machen. Eine dieser Ideen war die Zusammenarbeit mit Start-ups, mit dem Ziel, deren Technologien für uns und unsere Kund:innen zu nutzen.

Was hat sie bewogen mit Start-ups zusammenzuarbeiten?

In unserem Fall war es die räumliche Nähe. Wir saßen zusammen mit Start-up-Mitarbeiter:innen in einem Büro. Insofern hat uns da  der Zufall in die Hände gespielt. Wir hatten bereits vorher mit Start-ups zusammengearbeitet. Da haben wir erlebt, dass wir auf diese Weise mit vielen neuen Themen, Innovationen und Weiterentwicklungen im Berührung kommen. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit Start-ups unserer Erfahrung nach unkompliziert. Je nachdem wie groß das mittelständische Unternehmen ist, ist eine Kooperation in einem bestimmten Bereich auch relativ einfach umsetzbar, was wiederum auch angenehm für Start-ups ist. 

Erschwert Ihrer Meinung nach, eine nicht vorhandene räumliche Nähe die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und KMU. 

Ja! Wenn man wie wir im Sauerland sitzt und jeden Tag sein Tagesgeschäft abarbeitet ist es sehr schwierig Kontakte zu knüpfen, wenn man nicht aktiv auf Veranstaltungen geht oder Angebote – etwa von den Industrie und Handelskammern, dem Bund, den Kompetenzzentren oder den Wirtschaftsförderungen – wahrnimmt. Ich habe den Eindruck, dass die existierenden Möglichkeiten vom Mittelstand zu wenig wahrgenommen werden und dann heißt es oft, wie sollen wir denn Kontakte herstellen? Ich bin eigens für diesen Bereich eingestellt. Man kann jedoch nicht davon ausgehen, dass bei jedem mittelständischen Unternehmen die personellen und zeitlichen Ressourcen da sind.

In welchen Bereichen liegen bei der META Regalbau GmbH Potenziale für die Zusammenarbeit mit Start-ups?

Wir arbeiten im Bereich der Intralogistik mit Start-ups zusammen. Dabei geht es um Service- und Produktentwicklung. Vor allem haben wir uns auf Prozessoptimierung fokussiert. Unter anderem haben wir  mit dem Fraunhofer Institut in Dortmund zusammengearbeitet, dabei ging es auch stärker um Forschungsthemen. Da muss man dazu sagen, dass ein sehr langer Atem notwendig ist, wenn es um Forschung und Entwicklung geht. Damit meine ich nicht 2 Jahre, sondern eher 10 Jahre. Das ist für den Mittelstand ein sehr langer Zeitraum. Wir schauen 2 bis 3 Jahre in die Zukunft. Alles was darüber hinausgeht ist für mittelständische Unternehmen eher unattraktiv.

Können Sie von einem Best-Practice-Beispiel aus der Zusammenarbeit mit Start-ups berichten?

Wir haben mit dem Start-Up Motion Miners zusammengearbeitet. Mit dem Produkt des Start-ups werden Bewegungen automatisch erkannt. Über die erhobenen Daten lassen sich Optimierungspotenziale im Lagerbetrieb aufdecken. Dieser Prozess nennt sich „motion mining“. So konnten nicht nur wir unsere eigenen Prozesse verbessern, sondern auch an unsere Kundschaft diesen Mehrwert weitergeben. Viele unserer Kund:innen konnten so über uns die Chancen des „motion minings“ auch für sich nutzen. Dadurch dass META in Deutschland 15 Außendienstler hat, die viel unterwegs sind, ist das wiederum für das Start-ups attraktiv. Die haben mit uns nun einen Partner, der eine große Reichweite in ganz Deutschland hat. In dem Partnervertrag mit Motion Miners ist festgelegt, dass es eine Provision gibt, wenn Kontakt mit einem neuen Kund:in hergestellt und ein Projekt verkauft wird. 

Generell geht es in Kooperationen darum, eine Win-Win-Situation herzustellen. Welche Vorteile haben Start-ups von der Zusammenarbeit mit KMU?

KMU sind etablierte Unternehmen, mit funktionsfähigen Strukturen die meist über viele Jahre gewachsen sind. Sie stellen einen sehr zuverlässigen Partner für Start-ups dar. Rechnungen etwa werden daher verlässlich und schnell beglichen. Das Geld ist schnell da, was nicht immer selbstverständlich ist, für ein Start-up mit meist begrenztem Startkapital jedoch sehr wichtig. Der Vorteil für Start-ups ist außerdem, dass sie durch uns einen deutschlandweiten Ansprechpartner haben und nicht nur regional, wo sie selbst verankert sind. Durch uns erhöhen sie ihre Chancen, in der Branche Fuß zu fassen.

Studien zufolge spielen kulturelle Differenzen in der Zusammenarbeit zwischen Start-ups und KMU eine Rolle und können herausfordernd sein. Würden Sie das bestätigen?

Aus meiner Erfahrung kann ich  das nicht bestätigen. Das mag in unserem Fall daran liegen, dass wir ein Familienbetrieb sind, bei dem ohnehin stets auf Augenhöhe kommuniziert wird. Außerdem sind sowohl bei uns als auch in Start-ups die Entscheidungswege kurz. Meiner Meinung nach ist der kulturelle Graben nicht so tief wie oft beschrieben wird.

Allgemein lässt sich jedoch sagen: Da die Kommunikations- und Entscheidungswege bei Start-ups kurz sind, sind die Reaktionszeiten auch sehr kurz. Sie arbeiten also in einem vergelichsweise schnellem Tempo. Damit können Mittelständler:innen gegebenenfalls überfordert sein. Es dauert oft etwas länger, bis alle relevanten Akteure intern erreicht sind. Innerhalb eines Start-up wissen meist alle Mitarbeitenden über alle laufenden Prozesse Bescheid. Das liegt klar an der Größe. Jetzt, da bei Motion Miners Strukturen wachsen, macht sich zum Beispiel auch da bemerkbar, dass sich das Tempo eher unserem nähert.

Was können Sie aus der Zusammenarbeit von Start-ups mitnehmen?

Was die Arbeitsweise betrifft beobachten wir, dass bei Start-ups lösungsorientiert und stärker kundenzentriert gedacht wird. Nicht, dass dies bei KMU nicht der Fall wäre, aber bei Unternehmen existieren oft Zielvereinbarungen die an Prämien geknüpft sind. Mitarbeiter:innen konzentrieren sich teilweise zu stark auf die Erreichung des Ziels, um die Prämie zu erhalten. Dabei wird manchmal aus den Augen verloren, ob die Kundschaft tatsächlich was davon hat. Bei Start-ups funktioniert das direkter. Die Devise ist: Probleme gibt es nicht, wir finden für alles eine Lösung

Was man sich auch abschauen sollte ist das teambezogene Arbeiten. In Start-ups werden Teams nach Problemen gebildet. Da wird nicht gesagt, dass die Zuständigkeit für Problem A beim Einkauf, für Problem B beim Vertrieb liegt etc. Dinge werden eher in Kreisen als in Silos gedacht. Dies ist auch ein Grund dafür, dass die Kund:innenperspektive stärker ins Zentrum rückt und die Interessen der jeweiligen Abteilung zurücktreten.

Welche Zukunftsperspektive sehen Sie für die Kooperationen zwischen KMU und Start-ups?

Man muss klar sagen, dass für den Mittelstand ein gut berechenbarer ROI (engl. Return-on-Investment, d.h die Rentabilität des eingesetzen Kapitals) von 2 bis 5 Jahren ein wichtiges Kriterium ist. Wenn man in einem Start-up wirklich Potenzial sieht, kann viel daraus wachsen. Notwendig sind dabei Investitionen, das ist bei kleineren Unternehmen nicht immer möglich. Wenn ein gut berechenbarer ROI rauskommt, ist die Zusammenarbeit auf jeden Fall sinnvoll. Oft muss man auch gar nicht so weit schauen, um passende Start-ups zu finden. Man muss jedoch auch dazu sagen, dass nicht alles was von Start-ups an den Markt gebracht wird innovativ ist. Teilweise wird dabei auch alter Wein ich neuen Schläuchen verkauft. Hier gilt es, die angebotenen Lösungen genau zu prüfen.

Außerdem muss man Start-ups auf jeden Fall einen Vertrauensvorschuss gewähren. Wir haben stets eine große Offenheit und Transparenz seitens der Start-ups entgegengebracht bekommen, was für uns die Entscheidung für eine Zusammenarbeit vereinfacht hat. Zum Beispiel haben sie Probleme hinsichtlich der Technik, die sie verwendet haben, von Beginn an offen kommuniziert.

Sie haben gerade das Thema Vertrauen angesprochen, können Sie das noch weiter ausführen? Inwiefern ist Vertrauen in der Zusammenarbeit wichtig?

Ungewöhnlich für den Mittelstand mag auch sein, dass Start-ups oft direkt beim „Du“ sind. Ein Geschäftsführer hat mich mal gefragt, ob das mit dem duzen denn sein müsse. Meiner Meinung nach geht es darum, einander zu treffen, um an einem bestimmten Thema zu arbeiten. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir einander duzen oder siezen. Ein Machtgefälle zwischen einem Start-up und einem etablierten Unternehmen ist ohnehin vorhanden. Dass „Du“ kann ein Entgegenkommen sein, dass dies ein wenig ausgleicht.

Was das Thema Vertrauen im Allgemeinen angeht ist klar zu sagen, dass Ehrlichkeit zentral ist. Bei uns von META aus arbeiten wir auch nur mit den Personen zusammen, bei denen wir das Gefühl haben, dass es auf persönlicher Ebene passt. Selbst wenn uns die Idee überzeugt, würden wir nicht mit einem Team zusammenkommen mit dem wir keine vertrauensvolle Basis sehen. Dem Start-up einen Vertrauensvorschuss zu gewähren ist eine wichtige Voraussetzung für eine gelingende Zusammenarbeit. Wir wurden bislang in noch keiner Weise enttäuscht und haben auf diese Weise immer gewonnen.

Welchen Rat würden Sie KMU für die Zusammenarbeit mit Start-ups bei Digitalisierungsprojekten mit auf den Weg geben?

KMU sollten sich zunächst befragen, ob das Problem, was ein Start-up mit seiner Dienstleistung oder seinem Produkt löst, im Unternehmen überhaupt besteht. Man erwischt sich auch manchmal selber dabei, dass man von einer bestimmten Lösung begeistert ist, das Problem aber gar nicht in dem Maße existiert. Zusammenarbeit sollte nicht selbstzweckhaft sein, nur, um das Thema Innovation oder Digitalisierung oder Zusammenarbeit mit Start-ups ins Unternehmen zu holen. Bedarf und Nutzen müssen klar identifiziert werden und vorliegen.

Auch sollte man sich die Personen hinter der Lösung genau ansehen. Brennen die Personen für ihre Lösung? Das ist die Voraussetzung für den Erfolg der Zusammenarbeit. Darüber hinaus ist es in meinen Augen wichtig, dass KMU aus der Komfortzone herauszukommen um sich Zugänge in die Szene zu verschaffen. Das heißt Veranstaltungen besuchen, sich mit der Start-up-Kultur auseinandersetzen und vor allem Ausdauer mitbringen. Außerdem ist es sinnvoll, immer die Geschäftsführung mit ins Boot zu holen. Legitimation von oben ist unserer Erfahrung nach entscheidend.

Ich danke Ihnen für das Interview!

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