Vertrauen in nachhaltige Lieferketten in der Textilindustrie

Nachhaltige Entwicklung: Verschiedene Textilien wie Pullover, Hemden oder Jacken für Frauen hängen an einem Schaufenster.

Bildquelle: Unsplash

Immer mehr Menschen in Deutschland legen Wert auf ökologische Nachhaltigkeit.


10. Dezember 2020 | Von Svenja Dittmann

Soziale und ökologische Nachhaltigkeit stehen stark im öffentlichen Fokus. Mehr und mehr Menschen machen ihre Kaufentscheidung von Kriterien wie fairen  Produktionsbedingungen oder ressourcenschonenden Materialien abhängig. Einer aktuellen Umfrage zufolge achten mittlerweile über die Hälfte der Konsument/-innen beim Kauf von Lebensmitteln auf Nachhaltigkeit. Auch bei Bekleidung und Schuhen stellt Nachhaltigkeit bei 30 Prozent der Käufer/-innen ein wichtiges Kriterium dar. Dies stellt viele Unternehmen vor eine besondere Herausforderung.

Lieferketten verlaufen heute zunehmend global. Rohstoffe, Services und Waren werden von verschiedensten internationalen Firmen bezogen. Unternehmen fällt es dabei zunehmend schwer, für die Nachhaltigkeit ihrer Produkte zu bürgen, da ihnen oft selbst keine validen Daten zu allen Produktionsschritten, die ihre Produkte durchlaufen haben, vorliegen.  Lösungen, die es ihnen ermöglichen, soziale und ökologische Aspekte innerhalb ihrer gesamten Wertschöpfungsketten im Blick zu behalten gewinnen dadurch an Relevanz. Denn eines steht fest: Unternehmen haben im Bereich der Nachhaltigkeit Verantwortung zu übernehmen, damit Verbraucher/-innen ihnen weiterhin Vertrauen entgegenbringen.

Nachhaltigkeitskontrolle per Blockchain

Als Kund/-innen wissen wir häufig sehr wenig darüber an welchem Ort, unter welchen Bedingungen und von wem unsere Kleidung hergestellt wurde. Außerdem bleibt dabei oft im Dunkeln, welche Rohstoffe verwendet werden und welche Auswirkungen ein einzelnes Kleidungsstück auf unseren Planeten hat. Wenn es um die Transparenz in der Lieferkette geht birgt die Blockchain große Potenziale. Sie stellt eine Art fälschungssichere digitale Datenbank dar. Auf einer Kette von Datenblöcken speichert sie alle – zum Beispiel innerhalb eines Unternehmensnetzwerks oder einer Lieferkette ablaufenden-  Vorgänge und bildet sie transparent und sicher für alle Beteiligten Akteure einsehbar ab.  Über die Blockchain kann so Vertrauen in Prozesse und Netzwerke generiert werden. Durch diese Eigenschaft lässt sie sich auch als Werkzeug zur Nachhaltigkeitskontrolle einsetzen. Einige Unternehmen greifen diese Potenziale auf und setzen die Blockchain ein, um die Rückverfolgbarkeit von Produkten für Kund/-innen und den Handeln möglich zu machen.

Start- Up macht die Geschichte von Produkten sichtbar

Das Düsseldorfer Start- Up Retraced möchte den Trend eines wachsenden ökologischen Bewusstseins und zunehmender Sensibilität für globale Ungleichheit mithilfe einer Blockchain- Lösung beschleunigen. Die jungen Unternehmer haben sich zum Ziel gesetzt, die gesamte Wertschöpfungskette von Produkten  aus der Modebranche transparent abzubilden. Sie wollen, dass jedes Produkt seine eigene Geschichte erzählt: Dies funktioniert mit Hilfe von Daten, die über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg – vom Rohstoff über die Verarbeitung und Produktion bis hin zum fertigen Produkt – gesammelt, und in der Blockchain hinterlegt werden. So werden Daten über alle Einzelschritte der Wertschöpfungskette dokumentiert und nachvollziehbar.

Die Kunden von Retraced sind Modemarken, die sich tiefere Einblicke und bessere Kontrolle über ihre Lieferketten wünschen. Der Service richtet sich primäre an Modeketten, die sicherstellen wollen, dass bei Zulieferern und Produktionsbetrieben vertraglich festgehaltene ethische, ökologische Anforderungen und Sozialstandards eingehalten werden. Nicht zuletzt um den Ansprüche von Kund/-innen gerecht zu werden. Retraced sorgt dafür, dass alle Akteure innerhalb der Wertschöpfungskette einer Modemarke mit der Blockchain-basierten retraced Plattform verbunden sind. Dies funktioniert, indem alle – vom Lieferanten bis zum Produktionsmitarbeiter – per App Daten an die Plattform übermitteln. Über die Plattform sind Informationen über alle Aktivitäten in Echtzeit einsehbar.

Modemarken können so Dank der Retraced- Consumer- App Kund/-innen Einblicke in die Geschichte eines Produktes geben. Über die App können gezielte Informationen über das Produkt abgerufen werden, wie etwa Materialart und- zusammensetzung oder wer das Produkt wo bearbeitet hat. Mit dem verfügbar Machen von Produktdaten strebt Retraced danach, den Konsum ganz neu zu definieren. Aktuell arbeiten 23 Modemarken mit Retraced, um Kontrolle über ihre Lieferketten zu erhalten und über valide Daten das Vertrauen von Kund/-innen in Fragen der Nachhaltigkeit zu gewinnen.

Video: Interview mit Lukas Pünder, Gründer von retraced

Blockchain als Chance für nachhaltige Entwicklungspolitik

Ein Kooperationsprojekt zwischen IBM, Anbieter von Blockchain- Lösungen für Unternehmen, und KAYA&KATO, Hersteller ökologisch und fair produzierter Arbeitskleidung, verfolgt ähnliche Ambitionen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt, das vor dem Hintergrund sozialer, ökologischer und ethischer Fragen seit Langem Lieferkettentransparenz fordert. Das BMZ sterbt ein Gesetz für faire Lieferketten an, wie es in anderen europäischen Staaten wie Frankreich oder den Niederlanden bereits existiert.

Video: Interview mit Dr. Stefan Rennicke, Founder bei KAYA&KATO, und Christian Schultze-Wolters, Geschäftsbereichsleiter IBM Blockchain Solutions DACH bei IBM Deutschland GmbH:

 „Die sinnvolle Kombination von Nachhaltigkeit und Digitalisierung ist für uns zukunftsweisend. Das Projekt kombiniert auf hervorragende Weise beide Aspekte und fördert die Transparenz der Lieferkette. Dies ist für KAYA&KATO der ausschlaggebende Grund, die Entwicklung einer Blockchain anzustoßen. Wir freuen uns auf die Umsetzung und erwarten mit Spannung die ersten Lösungsansätze in Zusammenarbeit mit IBM.“, sagt Dr. Stefan Rennicke, Mitgründer und Geschäftsführer der KAYA&KATO GmbH. Auf Grundlage des Projekts soll überprüft werden, welchen Nutzen der Transparenzansatz mit der Blockchain für die Entwicklungspolitik bietet kann. IBM und KAYA&KATO sehen in der Blockchain- Lösung das Potenzial, auf diese Weise langfristig das gesamte Ökosystem der Textilbranche zu erfassen und die verschiedenen Aspekte der Nachhaltigkeit einsehbar zu machen.

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