Corona-Pandemie als Homeoffice-Beschleuniger

Ein Laptop steht zu Hause auf der Fensterbank. Man blickt dahinter über Häuserdächer.

Bildquelle: Mikey Harris, Unsplash

Homeoffice oder Nicht-Homeoffice. Das ist nicht die Frage. Beides zu verbinden, wäre die Zukunft.


3. August 2020 | Von Svenja Dittmann

Laut einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbands bitkom hat fast die Hälfte aller Arbeitnehmer/-innen im Zuge des Lockdowns die Arbeit nach Hause verlagert. Führungskräfte und Mitarbeitende experimentierten viel in dieser Zeit. Neue Arbeits-, Kooperations- und Führungspraktiken wurden erprobt und in kürzester Zeit war die digitale Zusammenarbeit Alltag.

Während viele mittlerweile wieder teilweise oder sogar ganz ins Büro zurückgekehrt sind, scheint sich an unserer grundlegenden Einstellung gegenüber dem Büroalltag jedoch etwas verändert zu haben. Viele Mitarbeiter/-innen haben Gefallen gefunden am ortsunabhängigen Arbeiten und wollen die Möglichkeit des Homeoffices nicht mehr missen. Lässt sich das als kurzfristige Euphorie abtun, die früher oder später wieder abebbt oder können wir davon ausgehen, dass die letzten Monate zur nachhaltigen Veränderung unserer Arbeitswelt durch Digitalisierung beitragen?

Nach mehr als fünf Monaten Homeoffice-Erfahrung lässt sich ein belastbares Fazit aus den Umfrageergebnissen ziehen. Daraus ist erkennbar, wohin der Trend geht und wie Arbeitsmodelle in Zukunft für eine Mehrheit aussehen könnten.

Mitarbeitende zufrieden mit Homeoffice

Bereits im April hatte das Fraunhofer FIT eine Umfrage gestartet, an der sich bis heute 2000 Personen beteiligt haben. Nach dem abrupten Wechsel vom Büro an den heimischen Schreibtisch herrschten zunächst einige Unsicherheiten. Herausforderungen mussten gemeistert werden, da sich die Mehrheit der Arbeitnehmer/-innen nicht auf Erfahrungen mit dem Arbeiten zu Hause stützen konnten. Zunächst befanden sich also einzelne Teams und ganze Belegschaften noch in der Findungsphase. Die Zahlen zeigen, dass die Zufriedenheit im Homeoffice in den letzten Monaten jedoch um 10 Prozentpunkte gestiegen ist und nun sogar bei knapp 90% liegt.

In der Zwischenzeit scheinen Homeoffice-Erprobte auch Vor- und Nachteile des neuen Arbeitsmodells klarer benennen zu können: Individuelles Arbeiten ist im Homeoffice effektiver und funktioniert etwas besser als im Büro. Teamarbeit hingegen stößt im virtuellen Raum jedoch hier und da an Grenzen. Prof. Wolfgang Prinz, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT, weist darauf hin, dass diese negative Einschätzung der Arbeit im Team auch technisch begründet sein kann. Zu Beginn wurden verschiedene Tools zur Kooperation und Kommunikation ausgetestet, wodurch die Zusammenarbeit nicht gleich reibungslos weiterlaufen konnte. Inzwischen scheinen sich jedoch Favoriten-Tools herausgebildet zu haben, die mittlerweile routiniert benutzt werden.

Homeoffice gewünscht! Ein neuer Führungsstil muss her

Während viele Geschäftsführende zu Beginn Sorge hatten, dass ihre Angestellten den Aufgaben nicht im geforderten Maß nachkommen würden, zeigte sich nach einigen Wochen ein anderes Bild: 47% der Führungskräfte, die Vorbehalte gegen Homeoffice hatten, konnten diese abbauen, da sie inzwischen viele positive Erfahrungen machten. Dies ergibt eine Umfrage des Fraunhofer IAO unter 500 Entscheider/-innen. Darüber hinaus hat sich für knapp 80 % der Befragten gezeigt, dass mit der Umstellung auf Homeoffice keine Nachteile für das Unternehmen entstehen.

Für die erfolgreiche Zusammenarbeit von Führungskräften und Mitarbeitern/-innen auch in ortsunabhängigen Arbeitsmodellen bedarf es eines offenen Führungsstils: von einer präsenzorientierten auf eine ergebnisorientierte Ebene. Das heißt, Leistung wird in mobilen Arbeitsmodellen danach beurteilt, welche Erfolge erzielt werden. Weniger geht es hingegen darum, wie viele Stunden Mitarbeiter/-innen dafür am Arbeitsplatz verbringen.

Voraussetzung dafür ist ein Umfeld des Vertrauens zwischen Vorgesetzten und Angestellten. Dieses Vertrauen wurde seitens der Führung in der Corona-Krise – zwangsweise – vorgeschossen. Im Ergebnis zeigt sich aber: Der Vertrauensvorschuss hat sich gelohnt. Inzwischen wird über konventionelle Arbeitsmodelle hinaus gedacht. Mehr örtliche Flexibilität erlaubt den Mitarbeitern/-innen auch, den Arbeitsort danach zu wählen, wo sie es als besonders produktiv erleben.

Hybride Arbeitsmodelle auf dem Vormarsch

Der Vorstoß von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der gefordert hatte, ein Recht auf Homeoffice gesetzlich zu verankern, hatte zuletzt für Wirbel gesorgt. Damit trägt er jedoch dem Trend Rechnung, der sich in den aktuellen Umfragen zur Zukunft des Arbeitens abzeichnet. Auf diese positiven Erfahrungen, Zahlen und Impulse der vergangenen Monate bauen viele Unternehmen auf. Auch unabhängig von einem Gesetz planen etwa 42 % der befragten Unternehmen, ihre Angestellten verstärkt im Homeoffice arbeiten zu lassen und auf hybride Arbeitsmodelle zu setzen. Als Vorreiter in der Umsetzung eines solchen Arbeitsmodells kann Siemens genannt werden. Die Erfahrungen der letzten Monate haben auch im Vorstand zu einem Umdenken geführt. Ein Beschluss soll es nun zum Standard erheben, dass zehntausende Mitarbeitende weltweit zwei bis drei Tage pro Woche mobil arbeiten können.

Die Krise als Beschleuniger digitaler Zusammenarbeit

Was alle Studien ergeben haben: Der persönliche, physische Kontakt mit Kollegen/-innen fehlt vielen, wenn die Arbeit ausschließlich im Homeoffice stattfindet. Dieses Defizit gleichen jedoch hybride Arbeitsmodelle aus. Vieles, was an Remote Work schon lange möglich gewesen wäre, wurde im Zuge der Corona-Krise umgesetzt. Die Erfahrungen der letzten Wochen boten Führungskräften und Angestellten die Möglichkeit, Vorurteile gegenüber ortsunabhängigem Arbeiten abzubauen und Vorteile zu erkennen.

Digitale Kompetenzen, vor allem im Bereich der Kommunikation, Kollaboration und Organisation, konnten entwickelt und ausgebaut werden. Die Corona-Pandemie hat somit die Entwicklung hin zu virtuellen Formen des Arbeitens maßgeblich beschleunigt. Es zeichnet sich ab, dass damit eine neue Kultur der individuellen Arbeit sowie der Zusammenarbeit eingeläutet wurde.

SCHLAGWORTE

Passende Themen

Die Digitalisierung bietet für Gastronomen und Hotelbesitzer/-innen viele Vorteile.

Branche digital: Gastronomie

Digitale Wege in der Gastronomie

Gäste nutzen mobile Endgeräte, sie schauen nach Bewertungen und informieren sich online über die Speisekarte. Auch kleinere Unternehmen können profitieren. Weiterlesen

Digitale Systeme bieten Gastronomen deutliche Vorteile gegenüber klassischen Kassen.

Branche digital: Gastronomie

Wie digital ist Ihr Restaurant?

Die Digitalisierung bietet sehr viele Möglichkeiten, Dinge einfacher zu lösen. Wir zeigen Ihnen ein paar Beispiele. Weiterlesen

Digitalisierung braucht Mut

Digitaler Wandel ist auch eine Frage der inneren Haltung: Wie entwickelt man Mut und Gelassenheit dafür?

Menschen gehen unterschiedlich mit Veränderungen um. Wie sie persönlich die digitale Transformation erleben, hat viel mit Einstellungen zu tun. Weiterlesen